Sognefjord
20.05.23
Durch den Sognefjord sind wir raumschots gesegelt, glücklicherweise in beide Richtungen, da der Wind nachts gedreht hatte. Dabei über 1000 m Wasser unter uns: der Sognefjord ist Europas längster (205 km) und tiefster (1303 m) Fjord. Weltweit nur übertroffen vom Scoresbysund in Grönland.
Geankert haben wir in einer Bucht, die auf der Karte dem Fischschwanz einer Nixe gleicht. Die rechte Flosse war unsere. Rauschende Wasserfälle, spiegelglatte See, ein paar Holzhäuser und schneebedeckte Gipfel umringten uns.
So windstill es im Arnafjord war, so empfing uns bei der Ausfahrt der Nordost mit 4 Bft um uns wieder zur Mündung des Sognefjords zu schieben. Leider setzte gegen frühen Abend der angekündigte Regen ein. Unsere nächste Ankerbucht am Granesund haben wir in ihrer Schönheit erst am nächsten Morgen schätzen können. Trotz Kälte und Nässe waren wir guter Stimmung. Viel wurde erzählt: von den Familien, vergangenen Reisen und Segelabenteuern, lustigen Missgeschicken, aber auch persönlichen Krisen und Herausforderungen. Wir rücken zusammen und erfahren viel voneinander. Schwer vorstellbar, dass wir uns erst vor ein paar Tagen kennengelernt haben.
Unser morgendliches Bad bei nur noch 5 Grad Wassetemperatur wurde heute zum ersten Mal durch eine heiße Dusche ersetzt: wir liegen im Hafen von Måløy. Das Kreuzfahrtschiff am Kai mit seinem rauchenden Schornstein ist zum Glück weitergefahren.
Gestern wechselten wir uns mit Segeln und Motoren ab, je nach Fahrtrichtung der Fjorde und Höhe der umgebenden Berge änderten sich Windrichtung und -stärke ständig und teilweise sehr abrupt (0 bis 30 kn). Beeindruckend, wie die Landschaft den Wind durch Düsen- und Kapeffekte verstärkt, umlenkt und abschirmt. Nachdem der Himmel etwas aufgeklart und der Regen nachgelassen hat, erfreuten wir uns wieder an der Landschaft: flache Schäreninselchen, gewaltige Felsen, hohe schneebedeckte Berge, grüne Wiesen mit Holzhäusern und immer wieder spektakuläre Wasserfälle. Wir waren uns genug mit sitzen und staunen. Gegen 16 Uhr liefen wir in Måløy ein, eine kleine Stadt ohne Ortskern. Dafür mit einem Supermarkt und viel Fischereibetrieb. Auch die erwähnten Kreuzfahrtschiffe scheinen hier einen Anlaufpunkt zu haben: die touristischen Lädchen deuten darauf hin. Auf unserem Abendspaziergang entdeckten wir eine kleine Holzkirche. Der umgebende Friedhof verschwindet unter der großen Straßenbrücke, die über den Sund führt. Der Ort schien am Freitagabend wie ausgestorben, bis auf ein paar tiefergelegte Sportautos, die suchend die Hauptstraße rauf- und runterfuhren. Beeindruckend dann: wunderbare Graffitis an unspektakulären Häuserwänden. Bilder, in die man eintauchen kann, Motive, die zum Fantasieren einladen, phänomenal gesprüht – Berlin wäre neidisch.
Heute lassen wir uns Zeit mit dem Auslaufen. Ziel ist voraussichtlich die Insel Silda nur ca. 1 h entfernt. Von dort wollen wir Sonntag das Kap Statt (Stattlandet) umrunden, wenn die „stiv kuling 15 m/s“ Warnung vorbei ist. Dafür haben wir abgewartet, bis Wind und Wellen uns hold sind.
Text: Betty