Sturmtief
Der Lagerkoller an Bord der Anuk
Langsam wird es ernst: Der Wein ist fast alle, Schokolade ist aufgegessen. Die Kapitänin behauptet, in den Fächern, die wir nicht öffnen dürfen, seien nur Werkzeug und Ersatzteile. Sie trinkt ja auch keinen Alkohol, solange wir im Sturm in der Ankerbucht liegen.
Heute Abend muss der Gin, unterm Tisch versteckt, dran glauben. Seit Dienstagabend liegen wir nun in der beschaulichen und regnerischen Ankerbucht, der Versuch, mit dem Tender ans Ufer zu gelangen, scheiterte, da der Außenborder streikte. Immerhin sorgte die Aktion für eine schöne Abwechslung und die Stimmung wurde immer besser. Doppelkopfunwissende wurden in die Tiefen des Spiels eingeweiht. Dieser Tag endete mit einem wunderschönen Filmeabend über vergangene Segeltörns von Astrid und Uli nach Franz-Josef-Land und Island. Die Nacht war ein bisschen unruhig, die Kapitänin wurde durch heftige Böen und kräftige Regenschauer um den Schlaf gebracht und hielt aufgrund dessen lieber Ankerwache. Die restliche Crew schlief selig in ihren Kojen. Der Anker sitzt aber fest und es können Reparaturarbeiten an Bord vorgenommen werden. Einige sitzen um den Tisch im gemütlichen Salon und erzählen, lesen, stricken und trinken Tee.
Nach dem zweiten Tag vor Anker sitzen wir abends beim Segelquiz. Eine Frage zur Takelung löst Entsetzen bei Holger aus: wir segeln auf einem Kutter? Entdeckung: die Anuk ist mit ihren zwei Vorsegeln kuttergetakelt.
Wider Erwarten war unser Tag recht ereignisreich. Nachdem Mirko und Holger den Benzinfilter am Außenborder ausgetauscht hatten, lief er etwas besser. Also fuhren wir zu viert an Land. Leider warteten wir nicht Ulis Blick aufs Regenradar ab.
In eiskaltem Dauerregen und Sturm stapften wir über weiches Moos und sumpfigen Grund. Rote und gelbe Figuren in der ansonsten eher gedämpft farbigen Landschaft – unser Ölzeug behielten wir gleich an. Klingelnde Schafe nahmen reis aus. Vom nächsten Hügel hatten wir eine etwas getrübte Sicht auf die benachbarten Buchten. Weiße Schaumkämme bedeckten das Wasser in Windrichtung. Der eiskalte Regen verhinderte zwar langes Schauen, aber gab uns eine gesunde Gesichtsfarbe.
Zurück auf der Anuk entdeckte Gerda ihre Angelleidenschaft. Nachdem sie einen Dorsch herausfischte, stand sie noch lange mit der Angel tapfer in den fiesesten Sturmböen während der Rest der Crew im beheizten Salon lümmelte.
Kapitänin Uli befasste sich mit der Bordelektrik, brachte das Radio in Gang und arbeitete sich durch das bunte Kabelknäuel hinter der Schalttafel. Unser Abendessen vegetarisches Labskaus an Salat mit einem Hauch von Fisch fiel recht extravagant aus. Heute Nacht soll der Sturm sich etwas beruhigen. Wir hoffen, morgen früh gegen 5 Uhr Richtung Trondheim auslaufen zu können.
Text: Betty und Gerda