Von Silda nach Bud
Bei alter Dünung schaukeln wir seit 6 Uhr früh an der Küste entlang. Leider ohne die stabilisierende Wirkung des Segels: es ist kaum Wind. Gerade steckt Ekki ihren verschlafenen Kopf aus der Kajüte und beschwert sich, dass die Sonne noch nicht scheint. Und plötzlich schickt die Sonne ihre Strahlen in den hellen Salon der Anuk.
Die letzte Nacht haben wir in Bud gelegen, einer alten Poststation auf dem Weg nach Trondheim. Eine kleine Stadt, idyllisch gelegen an zerklüfteter Küste, von zahlreichen Inselchen umringt. Vom Hügel hinterm Hafen kann man in alle Richtungen die Landschaft überblicken. Und alte Wehranlagen besichtigen. Ein Online Übersetzer hilft uns weiter: Text ist hier ausschließlich auf norwegisch. Selbst hier oben im Norden treffen wir auf die traurigen Spuren des zweiten Weltkriegs. Die stattlichen Holzhäuser in Bud lassen auf Wohlstand schließen. Am Ufer gegenüber liegt eine Chemiefabrik, im Abendlicht hell erleuchtet. Zum Glück hat Uli bei der Wahl des Ankerplatzes auf das Satellitenbild geschaut, sonst wären wir direkt vor der Fabrik gelandet.
Ablegen in Silda vor zwei Tagen: die Vorhersage prognostiziert Wellen von 2-3 m und Starkwind. Wir preparieren uns für die Umrundung des Kaps Statt und den Nordatlantik. Alles wird an Bord fest verstaut, wer sich unsicher fühlt schmeißt noch eine Vomex ein. Leider macht dieses Mittel gegen Seekrankheit auch sehr müde. Also nicht persönlich nehmen, wenn die Gesprächspartnerin mitten im Satz einschläft. Je weiter wir uns dem offenen Atlantik nähern, desto stärker wird der Seegang. Wind aus Südwest schiebt uns mit der Genua durch die Dünung. Das Steuern durch die Wellen macht richtig Spaß, ist aber auch anstrengend. Was uns seit Tagen auffällt: hier scheint es viel weniger Seevögel zu geben, als wir erwartet hätten. Ab und zu sehen wir einzelne Möven oder Sturmvögel. Umso mehr freuen wir uns über einen Basstölpel, und zwei kleine schwarze hektisch flatternde Seevögel, vielleicht Papageientaucher.
Elf Stunden sind wir unterwegs bis wir in Ålesund im Stadthafen festmachen. Zu viert begeben wir uns auf die Pirsch nach einer Bar: ein Anwohner schickt uns in eine dunkle Spelunke. Nachdem sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, sind wir begeistert: Wände, Tische und Bänke aus abgewetztem dunklen Holz, überall Fotos von bärtigen Gästen. Bärtige Gäste sitzen auch allein oder in trauter Männerrunde an den Tischen und der Bar. Wie in einem Film von Aki Kaurismäki. Die launige Kellnerin schenkt uns das lokale Bier aus: kühl und prickelnd, aber leicht wie herbe Limo. Als wir die Bar gegen 0 Uhr verlassen empfängt uns die Anuk im Dämmerlicht, eingerahmt von den Lichtern der Stadt.
Vormittags hatten wir noch Zeit in Ålesund. Die wurde zum Einkauf wärmender Unterwäsche (mindestens einem Crewmitglied wurde in der Folge heiß) und zum Erklimmen des sogenannten Zuckerhuts genutzt. Der Zuckerhut ist ein Berg in der Stadt, der eher einem eingedrückten Herrenhut ähnelt. Er kann über Treppen erklommen werden. Die Aussicht soll spektakulär sein, wenn sich nur nicht eine dicke Wolke am Berg festgesetzt hätte.
Im Nebel haben wir abgelegt. Die glatte See hätte im Nebel auch überall sein können. Später nachdem sich der Nebel gelichtet hatte, bot sich uns ein Bodenseepanorama: diesige Sonne, glattes Wasser, hohe Berge, zum Teil schneebedeckt. Gerda schwelgt in Heimatgefühlen. Auch gestern war uns Rasmus leider nicht wohlgesonnen: im Logbuch steht nur „Motor an“ und nach 6 ½ h „Motor aus“.
Text: Betty