Mit dem Anspruch möglichst wenig zu fliegen, kamen Gunter und ich auf die Idee: Wenn die Fähre von Dänemark nach Island sowieso auf den Faröer hält, warum dort nicht aussteigen? Gedacht. Gesagt. Gebucht. Getan: Zwei Wochen Faröer, bevor es via Island nach Grönland geht. Und so gibt’s jetzt hier einen Blogbeitrag, weil ohne die ANUK wären wir nicht auf die Idee gekommen, die Faröer zu besuchen.

31.07.2023: Endlich geht’s los… Nach einer durchgemachten Nacht (letzten Pack- und Organisationsarbeiten) und anstrengender Zugfahrt nach Hirtshals (DK) – sowohl die deutsche als auch die dänische Bahn haben mit interessanten Änderungen aufgewartet – hieß es am Campingplatz Hirtshals „Ausgebucht!“, auch wenn es nicht voll aussah. Auf nochmalige Nachfrage „Nichts zu machen! 3km weiter gibt’s einen weiteren Campingplatz. Der hat auf jeden Fall was frei.“ 5km Fußweg weiter mit jeweils 20kg Gepäck fanden wir uns ziemlich k.o. auf einem schönen Campingplatz wieder. Der 1km entfernte Strand interessierte uns nicht mehr. Zelt aufbauen. Essen. Schlafen.

Am nächsten Tag Wecker um 6 Uhr. Alles wieder einpacken. 5km zurück nach Hirtshals. 1,5km weiter zum Fähranleger, SmyrilLine ist der am weitesten weg (alles Training! Puh!). Endlich auf der Fähre. Endlich ohne Gepäck. Endlich ausschlafen. Juchu! Faröer wir kommen!

Teil 1/2

Unter Schafen… 29 Stunden (02.08.2023 17 Uhr) später legte die Fähre in Tórshavn an, der Hauptstadt der Faröer. Der nahgelegene Campingplatz liegt direkt am Meer mit schöner Aussicht auf die Nachbarinsel Nolsoy. Einziges Manko: direkt an einer Straße. Küche, Klos, Duschen top. Gunter gibt 5 von 3 Sternen 😊 Nachdem Einrichten, erster Rundgang durch Tórshavn auf der Jagd nach Fish and Chips. Zwischendurch Schafe, vereinzelt auch Pferde und Hühner… in der Stadt in den Gärten.

Den ersten Tag verbrachten wir mit Infos einholen (viel zu viele), Einkaufen, Tórshavn erkunden, mit Leuten auf dem Campingplatz quatschen. Es waren mit uns einige Neulinge auf dem Platz, die wir z. T. schon auf der Fähre gesehen hatten: Ein Deutscher, mit einer Woche Zeit, wanderte – im Vergleich zu uns – scheinbar in einem irren Tempo durch die Gegend, hatte immer gute Tipps für uns; ein älterer Brite – Reisender, schon ein paar Tage vor uns angekommen, war die ersten Tage (warum auch immer?) mit portugiesisch lernen beschäftigt. Er hatte vier Wochen auf den Faröer und wollte danach auf Grönland den Artic Trail wandern; ein US-Amerikaner, das Sorgenkind des Platzes: wenig Geld, schlechtes Zelt, zwischendurch erkältet, sehr kommunikativ, tauchte immer irgendwie zur Essenszeit auf, so dass er öfters von uns mit verpflegt wurde. Er will nicht mehr in den USA leben und hat die Idee, irgendwo auf den Faröer einen Job abgreifen zu können. Jeden Tag wurden wir über den Stand seiner Interviews informiert; Ein Südafrikaner mit französischer Freundin, die jeden Tag aufwendige Menüs kochten; und weitere interessante und irgendwie skurrile Leute. Jeden Abend wurde vom Tag berichtet und Tipps ausgetauscht.

Zum Abschluss des ersten Tages: ‚open mic‘ in einer als Veranstaltungsort umgebauten alten Lagerhalle. Veranstaltet von einer Kanadierin mit italienischen Wurzeln, gefördert vom Kultusministerium, ist ein Opener immer eine etwas bekanntere färingische Band und danach können alle, die wollen, auf die Bühne. „Do you want to perform?“ „No, we are here to listen.“ „Great, you’re wellcome!“ Dieses Mal eröffnete ‚Bartal & Rútmubeiggjar‘ den Abend. Stilistisch mal John Lennon, abgefahrene Gitarrensoli, mal Lou Reed. Nach dem Konzert quetschte der Sänger und Gitarrist seine Instrumente in einen Lieferwagen vollgestopft mit Handwerkszeug. Kunst scheint auch auf den Faröer nicht zum Leben zu reichen. Nichtsdestotrotz scheint die Musikszene auf den Faröer relativ groß zu sein. Schon vorher hatten wir von vielen Festivals gelesen und auf der Fähre erzählten uns Färinger von dem größten Festival in Klaksvik, was an dem folgenden Wochenende stattfinden sollte und wo dieses Jahr u.a. Susi Quadro (<- die gibt’s noch?) als Hauptact spielte. In den beiden Wochen hörten wir immer mal wieder von Festen auf verschiedenen Inseln. Durch Zufall waren wir bei einem Konzert in einem schlucht-artigen Naturhafen, gefühlt am Ende der Welt, obwohl im Laufe des Tages viele Touris wegen der tollen Aussicht für einen Kurzbesuch vorbeikamen. In Gjogv spielte bei Wind und Regen ‚Tjant‘ 40min, bis den drei Musikern zu kalt wurde.

Nicht nur Musikfestivals, auch andere Festivitäten gibt es viele. Während wir auf den Faröer waren, fand auf Nolsoy (ca. 150 Einwohner*innen) das jährliche Ovefestival statt mit mehreren tausend Besucher*innen. Das ganze Spektakel zu Ehren von ‚Row-Ove‘ Joensen, der 1986 von den Faröer via Schottland nach Dänemark gerudert ist! Und ein Jahr später… ist er auf dem Weg von einer färingischen Insel zu einer anderen ertrunken. Beim Stadtbummel durch Tórshavn begegneten wir zwei Biertrinkenden, die vom letzten Fest übriggeblieben waren. „Hello! Hello!“ Andere Touris rannten verschreckt weiter. „Where are you from?“… „Germany, I was once in Germany for football, in Frankfurt!“… „Have a nice time!“

Fußball – wie wir später lesen – ist eine färingische Leidenschaft. Es gibt an den abgefahrensten Plätzen Stadien, in jedem kleinen Dorf mindestens ein Ort, wo gekickt werden kann und angeblich die meisten Fußballspielenden pro Kopf. Aktuell machte der Klub IK Klaksvik in der Championsleague von sich reden, wie uns einer auf dem Campingplatz erzählte. Und angeblich gibt es eine Strafstoß-Sonderregel: Bei ‚viel‘ Wind darf ein zusätzlicher Spieler den Ball auf dem Elfmeter-Punkt festhalten.

Und Wind gibt es immer, somit auch öfter mal viel Wind. An irgendeinem Berg hängt immer mindestens eine Wolke rum oder der Gipfel ist total verhangen. Deshalb gibt es die Warnung an alle Trekkenden: Vorsicht! Obacht! Sagt jemanden Bescheid, wo ihr lang laufen wollt. Und packt Sachen für alle Jahreszeiten ein. Es gibt sogar extra vorgefertigte Zettel, wo Du eintragen kannst, was Du vorhast. Schon auf der Fähre warnten uns Färinger. „Be carefull. It can be dangerous because of the weather!“. Auch wir fanden uns einmal komplett im Nebel und Regen wieder und hatten Mühe, den Weg zu finden. Aber, nun ja, zumindest dort war es weit entfernt von ‚dangerous‘, nur windig, kalt und nass. Hätten wir den Weg nicht mehr gefunden, wären wir an einer anderen Stelle runtergekommen, hätten weiterlaufen müssen. An anderen Orten kann das Verirren schon dramatischer sein.

Wetter-Vorhersagen für einzelne Orte sind schwierig. Hinter jedem Berg kann es anders aussehen. Einmal durch einen Tunnel gefahren (und davon gibt es viele!), Wetterwechsel. Uns sagte ein Färinger: „Es gibt Tage mit Regen! Es gibt Tage mit Nebel! Es gibt Tage mit Regen und Nebel! Und es gibt Tage, die sind heller!“ An manchen Tagen gibt es alles. Wir hatten Glück: Wir hatten viele helle Tage.

In den zwei Wochen fuhren wir kreuz und quer mit den Öffentlichen (Bussen und Fähren) über die verschiedenen Inseln, bestaunten die Natur und die abgefahrenen Ausblicke: einen Bootsausflug an zerklüfteten Felsen zu Kolonien von Papageientauchern und anderen Seevögeln; Ausflug auf die fast nördlichste Insel Svinoy, wo wir, um an Land zu kommen, von der Fähre springen mussten wegen dem Schwell und von einem Färinger zum Kaffee eingeladen wurden, der uns sein 100 Jahre altes Haus zeigte. Er hätte uns gerne mehr von der Insel erzählt, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten; Leuchttürme am Ende der Welt im Nebel; überall Flüsse, viele Wasserfälle; überall war es schön! Und da wir eine Wochenkarte hatten, sind wir auch mal nur zum Essengehen mit der Fähre auf die Nachbarinsel gefahren. Jeden Tag kamen wir an einer Bucht vorbei, wo seit Wochen drei Wale rum dümpelten und mit ihrer Anwesenheit den Verkehr aufhielten. Die Straße war gesäumt mit parkenden Autos, jeder Busfahrer verlangsamte die Fahrt und erzählte von diesen drei Walen. In den Nachrichten warnten die Behörden davor, dort anzuhalten und zu parken, es sei verboten, weil es zu Unfällen kommen könnte. Unfallverursacher*innen können nach unseren Beobachtungen aber nur Touris sein. Wir haben nur umsichtig fahrende Faröer*innen erlebt, die scheinbar keinen Stress haben. (Sie wollen vermutlich auch nicht ihre eigenen Schafe anfahren.) Schon wenn Du an einem Zebrasteifen die andere Straßenseite anguckst, halten alle sofort mehrere Meter davor und warten bereitwillig. Den Berliner Alltags-Straßenkampf gewöhnt, habe ich mich die ersten Male erschrocken und bin hektisch über die Straße gerannt.

Wir wanderten auf den ausgewiesenen Wegen. Auch das ist überall beschrieben: ‚Verlasse nicht die Wege!‘ Das meiste Land ist Privatbesitz und die Besitzer*innen sind not amused, wenn ständig irgendwelche Touris über Zäune klettern, dabei alles platt latschen und ihre Schafe erschrecken. An den Hotspots, wo wirklich alle hinrennen, gibt’s zum Teil befestigte Wege und es kostet ‚Eintritt‘.

Apropos Schafe: Es gibt mehr Schafe als Einwohner*innen und es scheint: ‚Sheeps rule the faroe!‘ Sie sind überall: Auf den Hängen und Wiesen, am Straßenrand und auf der Straße (so manches Auto muss warten, bis die Schafe Platz machen), oberhalb der Klippen und an steilen Hängen (Angeblich wurden Schafe vereinzelt auf abgelegene Wiesenstücke getragen, wo sie nicht weglaufen konnten. Dann mussten sie im Herbst nicht gesucht werden.) Überall sind Schafe und wenn Du vorbeikommst, gucken sie Dich schafig an. Auch wenn die Faröer u.a. für Schafwolle bekannt sind, scheren sich diese (Outdoor)-Schafe selber. Überall liegt und hängt die abgestreifte Schur rum. Der Rest hängt noch an den Schafen, macht lustige Schaffrisuren. Ich dachte mir nach ein paar Tagen, was die Schafe warm macht, macht auch mich warm und hab mir was davon in die Taschen gesteckt zum Händewärmen. Funktioniert! Und weil ich mit meiner Kopfkissen-Situation unzufrieden war, hab ich weiter gesammelt und kann seit dem mein Haupt kuschlig betten 😊 .

Schafe

Nach einer Woche wollten einige vom Campingplatz mit der Fähre weiter nach Island, andere ein paar Tage später zurück nach Dänemark. Aber zuvor gab es einen Sturm, der über Dänemark gezogen war und somit hatte die Fähre Verspätung… einen ganzen Tag. Alle freuten sich, einen Tag mehr und das Wetter war gut. Planungen, die hinten dranhingen, müssten halt geändert werden. Es gibt nur eine Fährgesellschaft, die zu den Faröer und Island fährt. Und das ist SmyrilLine. Die scheinen alles, was auf den Faröer mit Cargo zu tun hat, in der Hand zu haben. An den entlegensten Ort haben wir Hänger von SmyrilLine gesehen, gefühlt fuhren ständig LKWs mit dem Logo an uns vorbei. Und SmyrilLine fährt nur mit dieser einen Fähre. Ist sie einen Tag verspätet, ist sie die ganze restliche Hauptsaison verspätet. Erst in der Nebensaison gibt es Pausentage, fährt sie also wieder zu den geplanten Zeiten.

Nachdem wir das verstanden hatten, mussten auch wir umplanen. Denn der Flug Kevlavik – Kulusuk (Grönland), hing von unserm Flug innerhalb Islands ab, den würden wir verpassen. Wir wollten zwar möglichst wenig fliegen, aber auch nicht das Doppelte bezahlen. Und mit den Öffis kamen wir innerhalb Islands an einem Tag nicht von der Ostseite, wo die Fähre ankommt, auf die Westseite, wo der internationale Flugplatz ist. Kurzerhand buchten wir einen Flug Faröer – Kevlavik, hatten damit keine gemütliche Fährfahrt, sondern zwei Nächte in Reykjavik auf dem Campingplatz. Erkältet. Verregnet. Hektisch. Unfreundlich. Reykjavik war doof!

Letzter Abend in Tórshavn auf dem Campingplatz: großzügiges Reste-Kochen und -Verteilen, mit dem reisenden Briten, einem Norweger (der in Island lebte, dort Bäume pflanzte), der mehrere selbstgeangelte Fische – für ihn allein, viel zu viel – in den Ofen geschoben hatte, ein deutscher in Island Studierender, ein deutscher Mountain-Biker und natürlich der junge US-Amerikaner, der pünktlich zum Essen auftauchte. Als Extra gab es geschenktes Walfleisch und Matak (Walhaut mit Fettschicht). Ein Festessen!

Good bye Faröer…

Text: Carola