Endlich wieder im Norden – lazy and lost in Trepassey
Wegen eines Sturmtiefs am Sonntag werden wir drei Tage an dem gut geschützten Liegeplatz entspannt die Zeit verbringen (lazy).
Früher war Trepassey ein Ort mit fast 3.000 Einwohnern. 1992 veränderte das erlassene Fangverbot für Kabeljau das Leben der Neufundländer schlagartig und heute leben in Trepassey noch ungefähr 400 Einwohner:innen, vor allem im Ruhestand.
600 Beschäftigte verloren damals von heute auf morgen ihre Jobs; die Jüngeren wanderten aufs Festland aus, zurück blieben die Senioren. Ein Dorfbewohner veranschaulicht die Entwicklung, indem er erzählt, dass früher mehrere hundert Schüler:innen die Schule besuchten, jetzt seien gerade mal 45 Schülerinnen und Schüler. Das Inventar der Fischfabrik wurde nach Afrika verkauft und damit endete eine rund 400 Jahre alte Fischerei-Kultur. Von den wenigen, hier noch lebenden Fischern begrüßt uns Kevin, der mit seinem Fischerboot neben der ANUK liegt. Er erzählt uns, dass er oft in Grönland unterwegs sei, um dort zu fischen.
Wir nutzen die Zeit in Trepassey zum Erkunden der Umgebung, der Anblick der Landschaft beim Einlaufen hat uns begeistert und neugierig gemacht. Während unserer Wanderungen blicken wir auf den tiefblauen Atlantik mit seinen weißen Brandungen. Wir schlittern manchmal über feuchten Waldboden, überqueren Bäche, rutschen über nasse Steine und versinken fast im moorigen Boden. Der „wilde“ Wald mit Tannen, toten Bäumen, Büschelrosen, Küsten-Blauglöckchen und Beerengestrüpp lässt uns meditativ abtauchen.
Der Ort ist wenig spektakulär, aber seine liebevoll in verschiedenen Farben gestrichenen Holzhäuser sehen adrett aus. Es gibt einen kleinen Lebensmittelladen mit dem Nötigsten (Gerda nennt ihn Kaufhaus.). Immerhin hat die einzige Postkarte ein erträgliches Sonnenuntergangsmotiv, ca. 1/3 der kleinen Verkaufsfläche wird als Liquor Store ausgewiesen. Weiter entdecken wir ein Postoffice mit Königin Elisabeth-Briefmarken und eine Kirche, die gleichzeitig als Gemeindehaus dient und optisch einer Lagerhalle ähnelt sowie ein Hotel, jedoch keine einzige Kneipe. Getrunken wird hier anscheinend zu Hause oder, wie wir es mehrfach sehen, im Auto mit Blick auf den Ozean.
Der Wettergott ist uns relativ wohlgesonnen. Es ist überwiegend sonnig, aber auch regnerisch und am Muttertag gibt es Regen und Nebelsuppe. Wir freuen uns über unseren geschützten Liegeplatz an der Public Wharf.
Uta und Uli arbeiten am Layout für Ulis Fotobuch, Gerda liest endlich ihr Buch und schläft gemütlich im Salon. Es ist eine wundervoll ruhige Stimmung an Bord. Till nimmt noch einmal sein Sportprogramm auf und joggt in Richtung Norden. Er kommt nach ca. drei Stunden erschöpft zurück und wir alle freuen uns auf das Essen, was bereits auf dem Herd brutzelt.
Ausnahmsweise wird heute Abend kein Doppelkopf gespielt, sondern ein Film geschaut: Night on Earth von Jim Jarmusch.
Abends dreht der Wind noch von Ost auf Süd, ein wenig Schwell erreicht unseren Liegeplatz. Er lässt erahnen, was draußen an der Küste los ist.
Text: Gerda