Aktuelles

ANUK an Land

Nach ein paar Tagen Warten in Caen, Normandie ging es heute morgen ganz schnell. Um kurz nach 08:00 Uhr war der große Kran da und um 09:30 stand ANUK an Land. Alles ganz behutsam und professionell.

Das Unterwasserschiff sieht nicht ganz so schlimm aus wie befürchtet und unerwartete Schäden sind auch nicht erkennbar.

Das Service Team der Grand Large Group wird sich jetzt um den Kiel kümmern (Ausbau, Lager prüfen und ggf. reparieren). Die Erneuerung der festen Scheiben ist auch noch geplant. Hoffentlich wird das nicht zu aufwendig.

Die Tage hier hatte ich von Gerda, Inke und Wilfried Besuch. Astrid war auch für zwei Tage da und hat Yannick und ein wenig Ausrüstung mit nach Hause genommen.

Das Wetter war nochmal sommerlich warm und wir haben die Wartezeit etwas für Ausflüge genutzt. Also nicht nur gebastelt und geputzt 😉

D-Day ist hier sehr präsent, diesen Juni war 80. Jahrestag.

Sobald ANUK fertig ist geht es hoffentlich dieses Jahr noch weiter nach Fehmarn.

Text: ULI

Ouistreham – Ziel erreicht

Nach der schnellen Reparatur des Motors hatten wir noch Zeit für zwei Stopps an der englischen Südküste.

Am Dienstag ging es mit gut 6 Bft achterlichen Wind komfortabel schnell in die Cawsand Bay vor Plymouth. Der Anker hält gut und in der Nacht flaut es etwas ab.

Früh morgens mit dem ersten Tageslicht brechen wir wieder auf und erreichen mittags Salcombe. Mike hat uns den Hafen empfohlen und Nobbi hat ihn auch als schön in Erinnerung.

Der Hafenmeister eskortiert uns zur Visitor Mooring (Das erste Mal Mooring fangen auf der gesamten Reise klappt auf Anhieb.)

Die Crew lässt sich vom Hafen Taxi zum Landausflug abholen, die Captain genießt die Ruhe. Oder besser gesagt das rege Treiben um ANUK herum. An diese Menschenmengen und vielen Boote muss ich mich erst gewöhnen.

Donnerstag brechen wir wieder mit dem ersten Morgenlicht auf, Kurs Frankreich. Die Morgenflaute ist zum Glück schnell vorbei und wir rauschen den englischen Kanal Richtung Caen entlang. Es sind nochmal zwei wunderschöne Segeltage. Alle genießen sie und viel Wehmut ist bei dem ein oder anderen mit dabei.

Die letzte morgendliche Schleusenöffnung vor Niedrigwasser um 09:00 Uhr morgens können wir nicht schaffen. Mit abnehmendem Wind laufen wir um 15:00 Uhr in Ouistreham ein und legen noch für eine Stunde Wartezeit am Warte-Ponton an. Mit fünf anderen Booten werden wir gegen 16:00 Uhr in den Kanal geschleust und haben kurz danach in der Marina festgemacht.

Wegen der Einreise in den Schengen Raum müssen noch einmal zur Passkontrolle zum Fähr-Terminal.

Nobbi und Berhard packen, sie wollen am nächsten Morgen früh abreisen. Und viel zu fix ist der Tag zu Ende.

Und das war es dann auch schon.

Yannick und Uli haben heute den ganzen Tag geputzt, Wäsche gewaschen und aufgeräumt. Es ist schön, dass wir hier noch ein paar Tage an Bord haben, um uns langsam wieder auf das Landleben vorzubereiten.

Bisher hatte ich noch keine Zeit über das Ende der Reise nachzudenken. Oder besser gesagt, ich habe nicht darüber nachdenken wollen.

Es hat sich auf jedem Fall gelohnt. Es war eine gute Entscheidung aufzubrechen und meine persönliche Route zu segeln.

Kürzeste Zusammenfassung: 21.255 sm in 17 Monaten. 

Am 06.09.2024 habe ich meine Kurslinie vom 01.10.2023 an der SW Ecke Irlands gekreuzt. Mein ∞.

Mit dabei waren außer Astrid und mir insgesamt 70 Mitsegler:innen (Wenn ich mich nicht verzählt habe.). Einige waren zwei Wochen an Bord, andere wie Uta, Till, Helga, Gerda, Peter oder Yannick mehrere Monate.

Viel mehr fällt mir auch gerade nicht ein. Es gibt kein „schönstes Erlebnis“ oder den „schlimmsten Tag“.

Wetter war immer ok, oft zu wenig Wind. Stürme konnte ich erfolgreich meiden. Reparaturen ließen sich alle gut handhaben. 

Ich habe mich mit ANUK angefreundet, sie ist mir ein gutes zu Hause geworden. Im Winter wird es einiges zu tun geben, aber das ist nach so einem Törn auch normal.

Vielen Dank an alle, die mich unterstützt und begleitet haben, insbesondere natürlich die Miteignerin Astrid. Die Crews der 26 Etappen waren alles sehr unterschiedlich, alle toll. Es hat mir viel Spaß mit euch allen gemacht.

Donnerstag geben wir ANUK hier in der Werft ab. Für ein paar Wartungsarbeiten, u.a. am Kiel. Wenn sie fertig ist hole ich sie nach Fehmarn. So der Plan 🙂

Aber erst einmal genießen wir noch ein paar Tage Frankreich, Inke und Wilfried sind heute gekommen und holen mich ab.

Text: ULI

Backoffice

Am Sonntag 25. August verlassen ULI und Crew Grönland. Die Wetterprognose sieht ganz okay aus und so gibt es keinen Grund länger zu warten. Ich stelle mich darauf ein, täglich die Wettervorhersagen (DWD und Predict Wind) anzusehen und zu warnen, falls etwas Bedrohliches aufzieht. Doch Starkwind wird bei dieser Überfahrt nicht das Problem sein.

Ärger bereitet mal wieder die Technik, diesmal ist es der Motor. Am 28. August schreibt Uli:
„Unser Motor erstaunt mich immer wieder (….).“

Was war passiert? Der Air Cooler hängt etwas tiefer. Nach längerem Suchen ist die Ursache klar, überrascht aber. Die massive Halterung ist komplett durchgerissen. Der Riss ist seitlich versteckt und durch Leitungen und Kabel verdeckt. An der Halterung fehlt eine Schraube. Das passt zu einer Schraube, die Uli Mitte Juni schon im Motorraum gefunden hat. Wir haben hatten allerdings nie die Stelle gefunden, wo die Schraube hin gehört.

In der täglichen Positionsmeldung schreibt ULI:
„Wir hängen im Schwachwind Loch und kommen mit gut 2 kn Fahrt mühsam voran. Motor will ich zurzeit nur nutzen wenn möglich (gebrochene Halterung für Luft- und Ölkühler, provisorisch heute Nacht fixiert).
@ Astrid and Mike: maybe Mike can organize the spare part in UK and/or bring it to Falmouth“

Das ist der Startschuss für ein unerwartetes Programm für die nächste Woche. Mike und ich chatten ständig, stöbern in Onlineshops, telefonieren mit Ersatzteillieferanten. Wir verzweifeln, lachen, wundern uns. Hier die chronologische Zusammenfassung:

–       28.8. abends Internet durchsucht. Kein Händler in UK hat das Teil vorrätig. Yach-supply24.com (Onlineshop in den Niederlanden) hat alle Teile, liefert weltweit, laut Webseite Lieferzeit 1-2 Wochen.

–       29.8. Peachment in UK (größter Ersatzteillieferant dort) bietet Lieferung in 2-4 Wochen an. Artikelnummer für die Halterung hat hinten ein A, Peachment bietet Teil mit gleicher Nr. aber hinten ein B an.

–       30.8. Frage bei Yacht-Supply nach den genauen Lieferzeiten Westport (Irland), Falmouth (England) und Calais (Frankreich).  

–       30.8. Bukh-Bremen hat die Halterung nicht auf Lager. Anfrage bei Nanni in Frankreich läuft, bisher keine Antwort.

–       30.8. Beschließen erst Montag über die Bestellung bei Peachment zu entscheiden.

–       Wir versuchen, eine Lieferung nach Calais zu organisieren. Mike ist bei seinem Schiff in Dover und bietet an, das Teil dort abzuholen.

–       2.9. Bukh-Bremen setzt alle Hebel in Bewegung und organisiert eine direkte Lieferung von Nanni (Zentrallager) nach Calais.

–       2.9. Wir stornieren die Bestellung bei Peachment.

–       3.9. Bukh-Bremen stellt Lieferung nach Calais in Aussicht, dann die Absage. Direktlieferung von Nanni innerhalb von Frankreich ist nicht möglich.

–       Ich kontaktiere MECA Diesel in Frankreich. Verständigung schwierig, da ich kein Französisch spreche.

–       4.9. Gerda ruft mit Unterstützung ihrer Schwiegertochter (Französischlehrerin) bei MECA Diesel an. Diverse eMails gehen hin und her. Mit Übersetzung oder in Englisch. Um 15:18 habe ich ein Angebot. Lieferung direkt zu einer Werkstatt in Caen.

–       4.9. Antwort von Yacht-Supply: Lieferzeit Irland 3 Wochen, England 3 Wochen. Ich bedanke mich und sage ab.

–       5.9. Konnte inzwischen klären, dass die Teile nach Calais geliefert werden. Sofortüberweisung klappt. Laut Tracking soll das Paket zwischen 8:00 und 13:00 ankommen, Adressat ist die Marina in Dover. 

–       6.9. Es wird nochmal spannend. Hier der Bericht von Mike (Originaltext):

0600 Mike drives to dover from job  3 hours. 
1000 Waits for news regarding parts 
1130 Courier says „refused“ 
1230 start the investigation by phone 
1300 discover Richard refused in port authority 
1400 Mike calls Richard and almost starts ww3 about to say you are a complete French asshole 
1401 Richard says the package is here 
1402 Mike says thankyou 
1530 ferry to France, walk 30 mins find out no foot passengers next ferry 1730 arrive 2000
Tild if you had a bike you can get any ferry 
1415 RUN yes RUN back to yacht get the bike, cycle back to ferry terminal 
1445 check in last person for ferry 
1520 depart UK for calais 
1522 office with package closes 1800
Ferries arrives 1800 
Problem! 
Solution ask manager Thomas in Calais marina to put the fucking part in the bar above the marina 
1523 Thomas agrees 
1524 all well. WE SAIL FOR FRANCE 

–       6.9. 18:00 schließt das Büro der Marina und die Fähre kommt an. Das passt zeitlich nicht. Mike bittet darum, dass das Paket in einer Bar deponiert wird, wo Mike es tatsächlich wenig später in Empfang nimmt. Gefeiert wird mit Bier und Essen. Dann geht es mit Fahrrad und Abendfähre zurück nach Dover.

–       7.9. Mike erreicht Falmouth gegen Mittag und nimmt um 16 Uhr die Leinen an. 16:28 kommt die Nachricht „Job done“!!!

–       8.9. Uli verbringt den Tag im Motorraum und wechselt die Halterung. Nicht alle Schraubenlöscher passen, also muss neu gebohrt werden.

–       9.9. Testlauf – alles okay!

Es bleiben die Fragen, warum die Halterung gerissen ist, warum zuvor die Schraube sich gelöst hat, warum sich früher schon anderen Schrauben gelöst haben bzw. abgerissen sind und ob bzw. wann der Ärger aufhören wird. Trotzdem ist es schön und das Wichtigste, dass ANUK, nach gut 16 Monaten wieder zurück in Europa ist und ULI es geschafft hat, alle Schäden zu reparieren.

Herzlich willkommen zurück!

Text: Astrid

Zurück in Europa

Samstag sind wir in Falmouth angekommen. Mike steht am Schwimmsteg und nimmt die Leinen an. Was für ein Timing. Mike zu sehen ist erfreulich, insbesondere da er unser dringend benötigtes Ersatzteil dabeihat. 

Nachdem wir Grönland verlassen hatten, musste ich feststellen, dass Air Cooler und Oil Cooler am Motor lose sind und die Gefahr bestand, dass beide beschädigt werden, also auch die Öl- und Kühlwasser Leitungen. 

Vorher habe ich nur festgestellt, dass die ganze Einheit leicht schief aussieht, ich habe die Ursache aber erst auf See gefunden. Der durchaus massive Haltebügel ist einmal gerissen. Unglaublich, was dort für Kräfte und Vibrationen wirken, der Bügel ist aus 10 mm dickem Stahl. Befestigt ist er mit drei Schrauben, eine davon fehlte, vermutlich die Ursache. Wie lange es gedauert hat, bis der Bügel endgültig gerissen ist, werden wir nicht mehr klären können. Sichtbar ist der Riss von außen kaum, gut versteckt.

Also heißt es nach Europa zu segeln und den Motor nicht zu benutzen, also kein Problem für uns, bis auf die ersten schwachwindigen Tage haben wir schönste Segelbedingungen. Und Segeln wollten wir ja eh.

Der Motor wird mit Spanngurten so weit gesichert, dass er einsatzfähig ist, wir wollen aber auch keinen Totalausfall riskieren.

Astrid hat die nächsten Tage viel zu tun. Es ist nicht so einfach ein Nanni Ersatzteil mit schneller Lieferung zu organisieren. Den Bügel hat kein Händler auf Lager. Während wir entspannt über den Ocean segeln ist sie mit einigen Helfer:innen beschäftigt. Wir einigen uns darauf, dass wir nach Falmouth gehen (gut anzulaufen auch ohne Motor, Werkstätten vor Ort, um ggf. die Halterung zu schweißen).

Vielen, vielen Dank an Astrid, Mike, Gerda und Schwiegertochter, Thomas und Ingo.

Der Ein- und Ausbau hat gestern geklappt. Bevor es weiter geht werden wir heute alles testen. Bisher verläuft der Test verläuft positiv. Motor läuft gerade.

Und ansonsten noch Falmouth erkunden. Die Crew war gestern schon im Maritime Museum und auf der Pendennis Festung während die Captain im Motorraum ihre Ruhe haben wollte.

Was gibt es von der Überfahrt zu berichten:

Während in Europa alle beschäftigt sind, genießen wir die guten Segelbedingungen und kommen gut voran. Für alle drei Crewmitglieder ist es der erste Hochsee-Törn und die erste Atlantik Überquerung. Die Segelbedingungen sind perfekt für Einsteiger, alle sind nach zwei Tagen an den Wachrhythmus gewöhnt, es gibt fast keine Seekranken. Und schön am zweiten Tag nach Verlassen des Prins-Christian Sunds wird es merklich wärmer. An sonnigen Tagen haben wir es bis zu 20° warm im Cockpit.

Die Tage gleiten dahin, die Captain möchte wieder lange so weitersegeln, die Lust auf Mee(h)r ist einfach zu groß. Bernhard, Nobbi und Yannick genießen die Seetage ebenfalls. Wir lesen viel, basteln und quatschen. Oder genießen einfach nur die Ruhe und Weite.

Am Donnerstag 05.09. passieren wir morgens um 06:00 Uhr UTC den berühmten Fastnet Rock an der SW Ecke Irlands, den Rest des Tages laufen wir mit bis zu 8 kn Fahrt Richtung Scilly Islands. Bevor der Wind nachlassen soll, wollen wir noch Strecke machen. ANUK macht gut Fahrt bei komfortablen am Wind Kurs bei 5 bis 6, in Böen bis zu 7 Bft. 

Leider dreht der Wind bei den Scilly Islands und wir kreuzen bei teilweise nur schwachem Wind Richtung Osten Falmouth entgegen. Ein wenig muss der Motor unterstützen, wenn ANUK bei Flaute nur noch treibt.

Dafür besuchen uns hier wieder häufiger Delfine, insbesondere in der letzten Nacht toben sie um ANUK herum und hinterlassen leuchtende Streifen im Wasser, ein magischer Anblick.

Ungewohnt ist der viele Schiffsverkehr, wir sind das nach Grönland nicht mehr gewohnt. Vor Falmouth treffen wir auf viele Segelyachten, ein gutes Training für Nobbi, er lernt für die SKS Theorie Prüfung.

Wir haben seit dem letzten Ankerplatz Anordliutsoq in der Nähe von Aappilattoq insgesamt 1484,0 nm zurückgelegt, davon 1410,5 nm unter Segel und 141,0 nm unter Motor. Insgesamt hat die Überfahrt 14 Tage gedauert. Schnellstes Tages Etmal war 147,5 nm. Ohne den Bewuchs am Unterwasserschiff wären wir geschätzt einen Tag schneller gewesen.

Danke an die Crew für die Unterstützung bei der Überfahrt. 

Text: ULI

Zwischen den Welten

Wir zitieren Bernhards Tagebucheintrag von gestern: „grauer Tag, immer noch hart am Wind. Es passierte: nichts.“

Heute hat der Wind nochmal zugelegt und wir mussten weiter hoch am Wind gegenan. Richtung Schottland, nicht ganz unser Ziel. Immerhin hat er gegen Abend wie vorhergesagt endlich auf SW gedreht und wir laufen jetzt unter Vollzeug bequem mit am Wind Kurs Scilly Island.
Was passierte: die Sonne zeigte sich kurz.

Wir sind jetzt 6 Tage unterwegs. Letzten Sonntag ging es um 05:30 Uhr mit dem ersten Licht los und wir hatten traumhaft schönes Wetter im Prins-Christian-Sund. Es blieb die ersten Tage sonnig, leider oft auch nur schwachwindig. Da wir den Motor nicht nutzen wollen, heißt es mit 2-3 kn Fahrt langsam Richtung Europa schaukeln.

Das Bordleben hat sich eingespielt, das Zeitgefühl ist dahin, alle haben sich an die Schiffsbewegungen und Wachrhythmus gewöhnt. 

Schiffe haben wir nur zwei Frachter gesehen. Beide haben uns per Funk kontaktiert, sich erkundigt, ob alles ok ist und ihre Verwunderung geäußert uns hier so weit draußen zu sehen.  Ansonsten hat die Morgenwache heute einen Delphin gesichtet. 
Der Wetterbericht sieht gut aus, wir freuen uns auf weitere entspannte See Tage.

Text: alle

Mein Abschied von Grönland

Wir haben den letzten Tag bei schönstem Wetter gelegen in meiner Lieblingsbucht und die Seele baumeln lassen. 

2018 haben wir hier ein paar Tage verbracht, Astrid, Carola, Gunter und Gunther waren klettern, wir haben Northabout mit Graham und Mike getroffen, nette Menschen kennengelernt, Arctic Char gegrillt, Krähenbeeren und Angelika und Pilze gesammelt, …

Mein ganz persönlicher schöner Abschiedstag, Wehmut war natürlich bei mir auch dabei. Ich vermisse Grönland jetzt schon. Und komme hoffentlich bald wieder.

…In dieser Stille werden Lieder geboren, sie werden in der Seele erschaffen und steigen vom Grund des Meeres auf, wie Wasserblasen, die an der Oberfläche schwimmen und zerplatzen, dies sagen die Ältesten, und es ist wahr, die Stille ist ein Speicher für all die Wörter, die ich übersah, und es wird mir bewusst, dass diese Einsamkeit, diese Isolation die Bedingung für eine Freiheit ist –
die ertastbar, greifbar ist: auf der Straße, in den Bergen, in den Flüssen, Seen und Fjorden. Freiheit in Grönland ist kein Konzept, keine Idee, keine philosophische Theorie, sondern Realität. Freiheit in Grönland kann man atmen, man kann sie riechen, angreifen, sie ist so real, wie Freiheit nur sein kann. Und mit dem Gefühl von grenzenloser Freiheit fühle ich etwas, das ich ebenfalls nur als etwas Flüchtiges kenne, das aber hier länger anhält, Stunden, manchmal sogar Tage –  Glück.

aus: Anna Kim, Invasionen des Privaten

Der Sommer hier war viel zu kurz und die Landschaft wieder atemberaubend schön. An vielen Plätzen wäre ich gerne auch länger geblieben, um zu genießen und die Umgebung zu erkunden. 

Viele Mitsegler:innen, die das erste Mal in Grönland waren oder auch wieder dabei sind, können unsere Begeisterung verstehen.

Wir laufen gerade mit dem ersten Morgenlicht Richtung Prins-Christians-Sund und dann geht es auf der Ostseite weiter Richtung Europa.

Wir hoffen auf guten Segelwind und ich freue mich auf die Tage auf See.

Text: ULI

Südgrönland

Auf dem alten US-Stützpunkt Bluie West One, zuerst Luftstützpunkt im zweiten Weltkrieg, dann auch noch Standpunkt eines Krankenhauses im Koreakrieg und jetzt der internationale Flughafen von Narsarsuaq, trafen Nobby und ich auf die bisherige Crew – Yannick und ULI. Netterweise hatte Grönland für uns ein paar Eisberge im Fjord drapiert (uns wurde gesagt, die seien da immer), die wir am nächsten Morgen nach einem sehr frühen Aufwachen und einer Besichtigung von Brattahild näher anschauen konnten. Der Tag brachte uns auch den ersten und für die nächsten Tage einzigen Einsatz des Großsegels. 

Die Nacht verbrachten wir in einer ruhigen Ankerbucht, trafen dann das furchtbare Ungetüm Caribbean Princess mit ca 2000 Passagieren, mehrere (scheinbare) Robben und zwei Buckelwale. Die Angel wurde das erste mal zum Fangen eines Knurrhahns genutzt. Es sollte nicht der einzige bleiben, aber alle dürften sich noch ihres Lebens erfreuen. Das Angeln sollte keinen spürbaren Beitrag zu unserer Ernährung liefern, Yannick hat es immerhin geschafft, einen kleinen Dorsch zu fangen. Lecker ist es immer.

Das nächste Ziel war Unartoq mit dem einzigartigen Feature einer ganzjährigen heißen Quelle mit natürlichem Pool. Die wirkt wie ein Anziehungspunkt, wir trafen dort mehrere Boote, die wir früher oder später schon gesehen hatten. Alle wollen nur das eine: den warmen Pool. Und er tat wirklich gut. Vor dem Hineingehen wurde es kalt und wir wussten, es würde genauso kalt, wenn wir wieder hinaus gehen. Aber wir hatten keine Wahl.

Auf dem Weg nach Nanortalik beobachteten uns einige neugierige, aber doch distanzierte Robben im Nebel. Der blieb uns eine Weile erhalten bis er schließlich doch den Blick auf das großartige Bergpanorama Südgrönlands freigab. Nanortalik sollte die erste und letzte Stadt, naja, mit 1500 Einwohnern ist es eine für grönländische Verhältnisse und immerhin die viertgrößte. Es gibt immerhin zwei Supermärkte und eine Schiffstankstelle und wir konnten die Vorräte vor der Überfahrt auffüllen. Im Freilichtmuseum vertrieben wir uns dann den restlichen Tag und trafen auf einen belgischen Kletterer, der in Nanortalik auf seine Überfahrt nach Europa wartete und dabei erkennbar Mühe hatte, die Tage rumzubringen. Wie muss es erst sein, wenn man dort nicht nur ein paar Tage verbringen muss, sondern seine Jugend. Das grönländische Alkohol- und Depressionsproblem mit der höchsten Selbstmordrate verwundert da nicht.

Die nächsten zwei Tage lagen wir in einer wunderbaren Ankerbucht bei Aappilattoq, der südlichsten Siedlung mit 68 Einwohnern, und Nobby und mir ist zum ersten Mal nicht kalt. Es ist sogar direkt warm. So kann es kommen, wenn man aus dem sommerlich-heißen Mitteleuropa direkt nach Grönland mit doch eher frischen Temperaturen kommt. Neben der ausgiebigen Erkundung der Insel, dem Fang eines Knurrhahns und einem doch eher frischen Bad im Süßwassersee haben wir das Boot für die Überfahrt klar gemacht. Am Sonntag geht es los und ich bin mehr als gespannt auf meine erste Blauwasserfahrt. 

Text: Bernhard

Fata Morgana

In den letzten Tagen haben wir wiederholt Fata Morganen gesehen. Diese aus Wüsten bekannten Luftspiegelungen lassen sich auch in der Arktis beobachten. Am Übergang zwischen kalten und warmen Luftmassen werden Inseln und Eisberge gespiegelt. Hier ein paar Bilder dieses hübschen und irritierenden Phänomens.

Und weil es so schön ist, noch ein paar Eisbilder aus den letzten Tagen. Bei Abenddämmerung, bei Nebel und bei Sonne.

Marrak Point / Bluie West Four

Am Freitag verlassen wir nach dem Frühstück die Hauptstadt Nuuk. Wie zu befürchten war ist kaum Wind, sodass wir dieseln müssen. Wir arbeiten uns küstennah durch das Inselgewirr nach Süden vor. Das Fahrwasser ist durch Baken auf den Inseln gekennzeichnet. Teils sind weite Bereiche vermessen, teils gibt es nur eine aus wenigen Tiefenangaben bestehende Lotreihe. Überall sind zeitweise trockenfallende Felsen und unter Wasser liegende Steine verzeichnet. Die elektronischen Karten sind ein Segen, Navionics und C-Map sind gleichermaßen genau und zeigen unsere GPS-Position richtig an. Trotzdem sind wir vorsichtig, bei Tiefen unter 10 m fahren wir langsamer, wenn es gar unter 5 m sind versucht eine Person am Bug die Untiefen rechtzeitig zu erkennen. Den Kiel holen wir halb hoch und lassen die Leine, die ihn unten hält offen. So kann der Schwenkkiel bei Grundberührung einfach hoch schwenken. Kritisch würde es werden, wenn es flacher als 1,20 m ist. Das gab es hier noch nicht. Bisher sind wir ohne Grundberührung durchgekommen.

Am Nachmittag wird das Wasser immer milchiger, die Durchfahrten werden enger, die Tiefenangaben auf den Karten spärlicher. Wir fahren durch eine karibisch anmutende Inselwelt mit milchig-blauem Wasser, Sandstränden, flachen Schäreninseln. Am Abend ankern wir in einer großen Bucht an der Halbinsel Marraq (Übersetzung: Clay bzw. Lehm) mit langem Sandstrand und sehr großen Dünen.

Durch das Fernglas wird erkundet, ob irgendwo Handtücher ausliegen, so einladend sieht es aus. Doch wie fast immer sind wir auch hier wieder allein.

Nach einer ruhigen Nacht ist es morgens diesig und es regnet. Wir drehen uns nochmal um. Als es etwas freundlicher ist, wird aufgestanden. Kurzes, erfrischendes Morgenbad am Heck; Heizung an, Kaffee kochen, Frühstück. Dann Landgang zu viert, Uli und Yannick bleiben an Bord.

Aus unserem Revierführer wissen wir, dass es hier im 2. Weltkrieg ein Flugfeld mit Radio- und Wetterstation gab. Die flache Ebene wurde 1942 zufällig von einem Piloten entdeckt, der sich verirrt hatte und dem der Treibstoff ausging. Bei den sonst allgegenwärtigen Bergen und Felsen war das ein Glücksfall. Die natürliche Schotterebene eignete sich gut als Landebahn und wurde von 1942 – 1948 als Teil der US Militärbasis „Bluie West Four (BW-4)“ genutzt. Später hatte niemand mehr Verwendung für diese entlegene Landemöglichkeit und alles verfiel. Die Landebahn war noch lange auf Flugkarten zu finden, da sie für Notlandungen gut nutzbar ist (z. B. hier: <https://metar-taf.com/de/airport/BMKA-marrak-point>). In Die Aufräumarbeiten wurden von Grönland und Dänemark bezahlt. Der Ort wirkt aufgeräumt, wir finden nur noch wenige Überreste wie verrostete Fässer und Holz.

Bei unserem Landgang finden wir Fußspuren. Offensichtlich sind wir an einer auch von anderen genutzten Stelle angelandet. Später entdecken wir ein noch recht frische Rentiergeweih und zwei abgetrennte Beine. Offensichtlich war ein Jäger hier. Von den Grönländern wissen wir, dass jetzt Jagdsaison ist und dass es im Hinterland viele Rentiere gibt. Wir als Touristen sehen meist keines davon, vor uns sind sie sicher.

Zurück an Bord wird der Anker gelichtet und wir fahren weiter. Heute und auch morgen ist es verregnet, kühl, unwirtlich. Vorbei an auch bei Nieselwetter wunderschönen Eisbergen geht es weiter gen Süden.

Die verlassenden Siedlungen Grönlands

Wenn man sich langsam entlang der Fjorde Grönlands schlängelt, entdeckt man immer wieder Siedlungen, welche scheinbar unnachvollziehbar und spontan verlassen wurden. Teilweise handelt es sich um nur sehr wenige eingestürzte und überwachsende Häuserreste. Manchmal um stabile Bauten inklusive großer Überreste der Innenausstattung, die unter anderem noch als Sommerhäuser genutzt werden. So lassen sich Öfen, Betten, Schränke und Tische finden, welche noch immer einen mehr oder weniger verlässlichen Eindruck hinterlassen.

Um den Hintergrund dieser verlassenden Siedlungen nachvollziehen zu können, muss man einen Blick in die Zeit des europäischen Kolonialismus werfen. 

Im 16. und 17. Jahrhundert beschränkten sich die Handelspartner der Inuit noch auf wenige europäische Händler. Im Jahr 1721 erreichte dann der vom Dänisch-Norwegischen König gesandte Missionar Hans Egede die West Küste Grönlands, wo er sein Lager (die heutige Hauptstadt Nuuk) errichtete und die Zeit Grönlands als Kolonie einläutete. Auch heute ist er noch bei vielen jungen Einheimischen bekannt, da seine Ankunft den Startpunkt einer Verarmung und Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung markiert. Das Handelsmonopol erlangte Dänemark schließlich mit der Gründung des Royal Greenland Trading Departments 1774. Und ab 1814 wurde Grönland formal zur dänischen Kolonie. Dabei bedienten sie sich der begehrten Waren, wie Felle und Elfenbein, missionierten die Bevölkerung und brachten Krankheiten und Alkohol. 

Die Machtverhältnisse änderten sich erst wieder im Zweiten Weltkrieg, als Dänemark 1940 von Deutschland besetzt wurde und die USA die „Versorgung“ Grönlands übernahmen. Dafür bauten diese Militärflughäfen und bereicherten sich am, für die Aluminiumproduktion wichtigen, Kryolith-Vorkommen Grönlands. Erst nach Ende des Krieges übernahm Dänemark wieder die Machtposition, gab ihre passive Regierungsweise aber schließlich unter dem Druck der UNO auf. Mit dem neuen dänischen Grundgesetz, welches 1953 verabschiedet wurde, galt Grönland nun nicht mehr als Kolonie, sondern als Teil des dänischen Staates mit Abgeordneten im Parlament. 

Dänemark befand sich nun in der Pflicht die Lebensverhältnisse anzupassen, wofür schließlich der Entwicklungsplan G-60 erlassen wurde. Der Bau neuer Schulen, Krankenhäuser und Häfen begann. Eine besonders große Veränderung durchlief dabei vor allem die Fischindustrie. 

Was auf den ersten Blick wie ein einziger Gewinn für Grönland wirkt, brachte auf der anderen Seite viele negative Effekte mit sich. Das durch Wetter und Jahreszeiten bestimmte Leben der Inuit wurde nun für viele durch einen von der Stechuhr geregelten Arbeitstag in der Fischfabrik ersetzt. Die Folgen der sich schnell änderten Lebensbedingungen der Inuit waren eine Vielzahl sozialer Probleme, wie zunehmender Alkoholismus, Gewalt sowie ein Anstieg der Selbstmordrate.

Die neuen Fischfabriken gab es oft nur in den größeren Orten, sodass immer mehr Menschen die kleineren Siedlungen verließen, um Arbeit in dem sich wechselnden System zu finden. Kleinere Siedlungen wurden auch aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben und verödeten schnell. Noch im 20 Jahrhundert schmückten rund 200 Siedlungen die Fjorde Grönlands. Heute beschränkt sich diese Zahl auf 80. 

Auf unserer Reise sahen wir beide Richtungen, in welche sich diese Veränderung bemerkbar macht. So trafen wir auf sehr kleine Siedlungen wie Kangerluq am Diskofjord, welche nur noch zwölf Einwohner zählten und wir uns fragten, wann auch dieser Ort endgültig verlassen sein wird. Auf der anderen Seite überraschte uns Søndre Upernavik. Auf unserem Rundgang machte der Ort einen lebhaften Eindruck auf uns und wir kamen mit den Einwohnern ins Gespräch. Einer der Dorflehrer erzählte uns, dass an der Dorfschule 40 Schüler und Schülerinnen von sieben Lehrern unterrichtet werden, was bei 200 Einwohnern eine beachtliche Zahl darstellt. 

Doch bei einem Blick auf die rasant wachsende Hauptstadt Nuuk, rund 1000 Menschen ziehen hier jedes Jahr dazu, können wir uns vorstellen, dass auch in Zukunft noch viele weitere Siedlungen von ihren Einwohnern verlassen werden. 

Text: Nico

Søndre Upernavik
Nuuk Bauaktivitäten