Aktuelles

Auf dem Weg zur ANUK nach Ost-Grönland…

Teil 2/2

Unter Hunden… endlich (18.08.2023) Weiterflug nach Grönland. Im Landeanflug die ersten Eisberge. Sonne scheint. Krasse Landschaft. Überwältigt. Der Flugplatz mitten im Nirgendwo, ursprünglich von den Amis im Zweiten Weltkrieg gebaut, wie viele Flugplätze auf Grönland. Gepäck bringt der Trekker vom Flugzeug ums Haus rum (vor die „Abflughalle“) -> Kannste Dir selber raussuchen. 20min zu Fuß zum Dorf Kulusuk, vorbei am Hotel Kulusuk, wo die meisten Touris absteigen, die erstmal in hierbleiben. Unser erster Anlauf-Punkt: Pilersuisoq (der Supermarkt). Gepäck abstellen. Rundgang durchs Dorf auf der Suche nach den Guesthouses. Wir finden nichts! Fragen in der Verwaltung: „Call, Bent. I give you the number.“ Nach hin und her telefonieren – Bent ist unterwegs –, stellen wir unser Zelt in der Nähe seines Guesthouses auf mit der Option, am nächsten Tag ins Haus zu wechseln. Später ruft er uns von weitem zu. „Are you looking for Bent? I’m Bent.“ Auch in der zweiten Nacht bleiben wir im Zelt. Liegen weich auf Gras. Wasser vom Wasserhäuschen. Als Toilette die 5min entfernte Müllhalde. Jedes Dorf hat einen Ort – etwas abseits -, wo der Müll hin gekippt wird. Alles! Aber auch in den Siedlungen liegt einiges: Plastik, Glasscherben und Dosen, Leinen, Paletten, kaputte Außenborder und Snowmobile. In Tasiilaq sehen wir alle paar Tage, wie Müll angeliefert wird und dann auf die Halde gebracht wird. An anderen Orten gibt oder gab es Müllverbrennungsanalagen.

Kulusuk wirkt irgendwie traurig. Ein Einheimischer erzählt: „Alle, meine Verwandten sind Alkoholiker, ich nicht!“ Einmal sehe ich einen Mann rücklinks auf der Straße liegen. Voll breit. Beim Aufrichten muss ich ihn stützen, damit er nicht sofort wieder umkippt. Kommunikation schwierig. Laufe mit ihm in die Richtung, in die er zeigt. Eine Frau reicht ihm ein Paket, entschuldigt sich fünfmal bei mir. „Sorry, he is drunk!“ Nach ein paar Minuten kann er wieder alleine torkeln. Später hebt ihn nochmal jemand auf. Kinder fahren mit dem Fahrrad durch die Gegend, kicken auf dem Fußballfeld oder ärgern Hunde-Welpen. Leute laufen hin und her, aus dem Pilersuisoq werden palettenweise Bierdosen abgeschleppt, die nur hinter dem Tresen stehen. Hunde bellen, jaulen. Drumherum Wahnsinns-Landschaft: Hohe Berge mit Gletschern; Spaziergang zum Aussichtspunkt, zwei junge Hunde begleiten uns; Blick auf den Atlantik und Fjord mit Eisbergen. Alles ist ‚irgendwie‘ farbiger, klarer.

Nachmittags kommt ANUK. Juchu! Wir werden zum Abendessen eingeladen, bekommen für die nächsten zehn Tage Gaskartuschen (im Pilersuisoq/Kulusuk gab’s keine) und weiteres Outdoor-Food. Können schon mal die ANUK streicheln 😊, unser Törn beginnt erst Ende August. Am nächsten Tag Crew-Wechsel auf der ANUK: Axel, Jens und Peter steigen aus, Uta, Lucia und Henri kommen an Bord. Gunter und ich können am Tag darauf bis Tasiilaq mitfahren, sind dann an Land unterwegs.

Tasiilag, die größte Siedlung in Ost-Grönland. Sehr hügelig, durch das Dorf geht’s rauf und runter. (müssen die hier fit sein!) Irgendwie sind hier alle busy. Das Versorgungsschiff – die Royal Artic – kommt alle paar Tage. Container werden verladen. Kommen und Gehen im Pilersuisoq. Viele Tourist*innen. Erstaunlich viele Autos, viel schweres Gerät (Bagger, etc.), sogar ein Taxi! Später beobachten wir, dass es im Minutentakt Leute mit ihren Einkäufen abholt.

Wir zelten im Basecamp vom Red House mit Blick auf den Fjord, neben dem Heli-Point. Viele Leute, die in Kulusuk ankommen (Gepäck vom Trecker runter zuppeln, zurück übers Rollfeld zum Helikopter), fliegen gleich weiter nach Tasiilaq. Flugdauer ca. 10min, mit dem Schiff halbe/dreiviertel Stunde, mit der ANUK drei Stunden. Mehrmals am Tag hören wir die Rotoren. Zwei Tage war Ruhe. Da war Nebel. Blöd für die Leute, die einen Flieger in Kulusuk kriegen wollen, wie unsere Zeltnachbarn (zwei Franzosen) und auch andere. Hektisches Hin- und Hergerenne- und gefahre. Das Boot will Bargeld, Geldautomaten gibt’s nur beim großen, weiter entfernten Pilersuisoq. Und die funktionieren öfter mal nicht. Internet weg -> kein Bargeld! Schlange vor den Automaten. Geht er wieder? Sie haben Glück. In Grönland musst du immer mit Luft planen. Das wurde ja schon mehrfach im Blog beschrieben.

Die ANUK legt in Tasiilaq einen Waschtag ein, fährt irgendwann weiter. Der Plan: die Insel Angmagssalik umrunden, den vorhergesagten Stark-Wind bei Tiniteqilâq abwettern. 9 Tagen später holen sie uns wieder ab, zurück nach Kulusuk für den nächsten Crew-Wechsel.

Gunter und ich machen uns auf die Suche nach dem Red House. Es liegt im oberen Teil vom Dorf. Robert Peroni, der Betreiber, ist gerade einkaufen, erfahren wir. Vier Wiener zurück von einer 14-Tages-Tour warten auch auf ihn für Abrechnung und Nachbesprechung. Eisbären? Sie hätten keine gesehen, auch keine Spuren, aber Gewehr hatten sie dabei. Einer behauptet, hier gäbe es keine! Er wäre schon ein paar Mal hier gewesen und hätte nie welche gesehen!… Hm! Später sagt Robert, im Umkreis von 3-4km um Tasiilaq seid ihr sicher. Bin trotzdem nervös. Wer weiß schon, ob sich Eisbären an Umkreise halten? Deshalb leihen wir uns ein Gewehr. Einweisung: „DER BÄR… greift nie von vorne an, es sei denn…ja, es denn, er ist wütend, krank oder sonst irgendwie komisch drauf.“… Hm!… „Auf gar keinen Fall mit Schrot auf den Bär zielen. Dann wird er sauer! Du musst mit dem In-die-Luft-Schießen warten, bis sich der Bär auf 10m genähert hat!“ Ach, du Scheiße: 10 Meter! Warum? „DER BÄR hört nicht so gut!“ Wir bekommen noch einen wasserdichten Sack dazu. Gibt’s nicht was mit Riemen? Ein Gewehr länger auf der Schulter zu tragen, sieht nur cool aus, ist aber sehr unbequem, sagt er lächelnd. Ja, die Touris… nur die rennen in Tasiilaq mit Gewehr rum. Und nur die Touris – vor allem die Neuangekommenen – laufen mit großen Augen rum und grüßen niemanden, allen voran die Gäste der Kreuzfahrtschiffe. Und davon gibt’s viele. Fast jeden Tag ankert ein anderes in der Bucht, bringt die Leute für ein paar Stunden an Land und fährt dann weiter. Einen Tag sehen wir ein komisches Kreuzfahrtschiff. Gunter nennt es ‚obszöne‘: Etwas kleiner als die anderen; spuckt schwarze Schlauchboote aus, die ums Schiff kreisen; eines auf der anderen Seite vom Fjord, wollen die angeln? Irgendwann fährt ein Schlauchboot mit mehrere Seekajaks im Schlepp an uns vorbei, ein paar Stunde später wieder zurück. Ein Hubschrauber startet von dem Schiff, dreht ein paar Runden. Kein Landgang. Irgendwann sehen wir eine Drohne und hören Schüsse, die wir dem ‚obszönen‘ Schiff zu ordnen. Wir vermuten, Oligarchen-Jacht.

Mit Gewehr im Gepäck machen wir uns in den Tagen in verschiedene Richtungen auf. Stellen immer wieder fest, unsere Ziele/Wegmarken sehen näher aus als sie tatsächlich sind. Sind oft länger unterwegs als angenommen, bewundern die Landschaft: viele Seen, überall Wasserläufe und Wasserfälle, Gletscherzungen in der Ferne.

Um Tasiilaq herum – wie um alle Dörfer – sind Hunde an Ketten. Auch in der Nähe von unserem Zelt liegen 10-15 an Ketten und ein ‚Freigänger’, hat sich scheinbar losgerissen, lässt sich nicht einfangen, bleibt trotzdem bei seinem Rudel, kam hin und wieder an unserem Zelt vorbei. Welpen haben es besser: können frei rumlaufen, sind zutraulich, lassen sich streicheln, knabbern an den Klamotten, laufen manchmal ein Stück mit. Wir haben uns oft in den einen oder anderen verguckt. Die toten Robben, die in Bündeln im Wasser lagern, sind für die Hunde. Wenn sie denken, es könnte gleich was geben, Gejaule und Gebell, aufgeregtes Gezerre an den Ketten. Die Hunde kommen im Winter zum Einsatz, als Schlittenhunde. Im Sommer liegen sie scheinbar nur rum, haben nichts zu tun.

Nachricht von Thomas: Er hängt krank in Reykjavik rum. Das Hotel in Tasiilaq kann er nicht stornieren. Wenn Gunter und ich wollen, können wir es nutzen. 15min Fußweg vom Zeltplatz liegt es am höchsten Punkt von Tasiilaq. In der Hotel-Lobby fühlen wir uns sofort fehl am Platz: Schicke Bar, Sessel mit Robbenfell überzogen, schöne Bilder an den Wänden, ein Souvenir-Shop. Alles sauber. Und wir ungewaschen mit unseren Dreckklamotten. Auf der Terrasse ein paar aufgedrehte US-Amerikaner*innen, gerade angekommen, bewundern die Aussicht. „Where are you from? You are here for trekking? Nice!“ Sie waren mit dem Heli angekommen, mit dem Auto abgeholt, samt Gepäck zum Hotel gefahren worden, vermutlich noch keine drei Schritte im Ort gemacht. Wir reden mit dem Manager. Nein, stornieren ist nicht möglich. Ist via booking.com ohne Rücktritt gebucht. „We have the work, they take the money!“ Aber ihr könnt das Zimmer nutzen. Cool: Zwei Nächte ohne Wärmflasche ins Bett und… warm duschen!

Am Tag als wir auf die ANUK wechseln, aufräumen, lüften, zusammenpacken und vor allen Dingen: Wäsche waschen! Gunter zieht los zum dörflichen Waschhaus. Hier regiert Sie: Die Hüterin des Waschhauses. (s. Exkurs: Die Hüterin des Waschhauses)

Ich gebe im Red House das Gewehr zurück. „Habt Ihr es gebraucht? Besser ist nicht!“ Begleiche unsere Camping-Rechnung. Im Red House scheint die Hauptsaison vorbei zu sein. Wenig los. Im Basecamp wurden schon Bierbänke und Küchenzelt eingepackt. Mit uns zeltet nur noch eine Gruppe, die vom Kajak fahren zurück kamen.

Nachmittags kommt die ANUK, liegt wieder vor Anker. Diesel tanken. Wir beziehen unsere Kojen und erzählen uns von den letzten Tagen. Plötzlich kommt ein Schiff vorbei: „I have something for you!“ Henri bekommt sein Gewehr geliefert. Früh am nächsten Morgen holt er seinen Hund ab: Dumbo, eine Hündin. Beide fahren mit bis nach Kuummiit, wo er mit seiner Wanderung starten will.

Gunter, Thomas und ich starten unsere Reise mit der ANUK.

Text: Carola

Exkurs: Die Hüterin des Waschhauses

Sie ist Mitte fünfzig, ca. 1m55 groß, etwas gedrungen.

Sie sitzt sie auf ihrem Bürostuhl, die Waden auf der Kante des Schreibtisches, die Füße hängen in der Luft. Sie häkelt, rechts von Ihr steht Ihre Kasse.

Sie ist die Hüterin über die Dusche, mehrere Waschmaschinen und Trockner.

Ich komme zum Duschen und Wäsche waschen.

Ganz selbstverständlich betrete ich das Waschhaus, ist doch ein öffentliches Gebäude, Sie schmeißt mich raus.

Sie wird deutlich: Sie wischt gerade den Boden und ich muss die Schuhe ausziehen, bevor ich eintreten darf.

„You next“ begrüßt sie mich dann und ich begreife, die ältere Frau auf dem Rollator vor dem Haus will duschen und ist vor mir dran.

Nachdem ich Anweisung erhalten habe, wo ich meine Schuhe hinstellen soll, darf ich auf Strümpfen das Haus betreten. Sie weist mir eine Waschmaschine zu, fragt, ob ich Waschpulver habe und holt, als ich verneine, Pulver. Sie fragt „Normal“, die Maschine zeigt 40 oder 60 Grad, ich zeige auf 40, Sie sagt nochmal „Normal“ und nickt.

Nun möchte ich eine rauchen und setze mich vor´s Waschhaus auf die Treppe. Sie schickt mich auf die andere Straßenseite. Schuhe anziehen, zu einem Stein laufen, rauchen. Wieder rüber zum Haus, Schuhe ausziehen, eintreten.

Jetzt entdecke ich das Schild: Kaffee 8 Kronen. Ich bin begeistert und bestelle einen. Als Ich sehe, wie Sie die Kaffeemaschine bedient versinke ich in Depressionen: Zwei Esslöffel Kaffeepulver auf eine ganze Kanne? Ich bin entsetzt. Dann ist der Kaffee durchgelaufen und ich bin glücklich: Zwei Esslöffel Pulver für zwei Tassen Kaffee.

Kaffee einschenken, Schuhe anziehen, zum Stein laufen, frischen, guten Kaffee trinken, noch eine rauchen. Zurück zum Haus, Schuhe ausziehen, in den Wartebereich setzen. Wieder sagt Sie: „You next“ und fängt an die ältere Frau in der Dusche zu drängeln. Mittlerweile habe ich das Schild entdeckt, dass die Duschzeit auf 15 Minuten beschränkt.

Nach dem Duschen hänge ich mein Handtuch über einen Stuhl zum trocknen und gehe noch eine rauchen. Als ich zurückkomme und die Schuhe ausziehen will wehrt Sie dies ab. Ich verstehe, der Boden ist getrocknet, der Schuhabstreifer an seinem Platz.

Das benutzte Handtuch hat Sie zwischenzeitlich zur Wäsche in den Trockner geworfen.

Zwischenzeitlich kommt ein Wagen der örtlichen Feuerwehr, Sie geht an das Seitenfenster, empfängt einen Beutel Dreckwäsche und wirft ihn in eine Maschine.

Die zweite Tasse Kaffee spendiert Sie mir.

Sie ruft mich zu sich, zu Ihrer Kasse, trägt mich als Nummer 2 des Tages ein und addiert: Duschen, Waschpulver, Wäschewaschen, dieselbe trocknen, einen Kaffee: 102 Kronen. Ich reiche Ihr 200 Kronen. Sie zeigt mir Münzen, um mich zu fragen, ob ich Kleingeld habe. Als ich verneine holt sie zwei Kronen aus ihrem Geldbeutel, die Kasse muss ja stimmen und reicht mir 100 Kronen wieder zurück. Ich bedanke mich, Sie fragt noch in gebrochenem Englisch, ob ich Kinder habe. Wir verabschieden wir uns herzlich voneinander.

Text: Gunter

Auf See

Heute ist Sonntag und die Sonne scheint. Es läuft prächtig. Zum Frühstück gab es gebratene Sonntagseier. Der Sonntagsbraten (Lammkeule) schmort auf dem Herd. Im Cockpit läuft eine Podcastfolge von „Weird Crime“.

Wir sind gut durch‘s Eis gekommen. In den ersten beiden Tagen zogen noch ständig riesige Eisgiganten an uns vorbei. Nachts unter Radar kam zum Glück keiner zu nahe und auch kleinere Growler blieben uns fern. Walen mussten wir nur einmal bei Tageslicht ausweichen.

Die ersten Tage waren weniger schön. Zuerst kein Wind, hoher Schwell und ewig lang Motoren. Dann etwas Wind, wie immer gegenan und fieser Seegang. Nach 2 Tagen und Nächten mühsamen kreuzen dann heute Nacht endlich die ersehnte Winddrehung. Wir rauschen nun bei 5 Windstärken und halben Wind mit 8 kn Richtung Island. Die Sonne verwöhnt uns von oben. So macht Segeln Freude!

ANUK macht sich gut. Beim Kreuzen am Wind konnten wir sie so trimmen, dass sie von alleine geradeaus fährt. Stundenlang, ohne Autopilot fast ohne Korrektur blieb sie auf Kurs.

Text: Astrid

Abschied

Nun isses soweit und wir müssen Abschied nehmen von Ostgrönland. Die letzten Tage haben wir in und bei Isertoq (auch: Isortoq) verbracht, der kleinsten Siedlung in der Angmagssalik Region. 5 sm vor Isertoq gibt es bei Kitak einen rundum geschützten Sund mit guten Ankermöglichkeiten. Die Landschaft hier ist ganz anders als dort wo wir vorher waren. Statt hoher Berge mit steilen Felswänden ist es hier eher hügelig, sanft gerundet. In Isertoq bleiben wir für eine Nacht und können an der Pier liegen. Der Ort ist klein und schrumpft weiter. Etliche Häuser stehen leer. Sehr schade, da man aus den Fenstern direkt auf’s Inlandeis und auf die offene See mit großen Eisbergen blicken kann. Die letzte Nacht verbringen wir wieder vor Anker. Letzter Landgang bei Sonne und fast Flaute, eine ruhige Nacht. Am Morgen setzt leichter Regen ein. Über Navtex und UKW kommen die schon vertrauten gale-warnings (= Starkwindwarnung) rein. Diesmal betrifft uns das, da wir heute in See stechen werden. Plan ist, hinter dem Starkwind zu bleiben, um nicht durch die nachfolgende Flaute motoren zu müssen. Morgen soll es auch hier an der Küste windig werden. Nächster Bericht kommt dann von unterwegs oder aus Island!

Text: Astrid

Kalaallit Nunaat

Obwohl wir nun schon lange hier in Ostgrönland unterwegs sind, wissen wir nur wenig über die Menschen hier. Das meiste haben wir aus Büchern – Romane, Kurzgeschichten, Reiseführern. Einiges können wir beobachten und ab und an können wir mit den Grönländerinnen oder Grönländern sprechen und so etwas mehr erfahren. Hier folgt eine lose Sammlung unserer Eindrücke:

  • Lieblingsgetränke: Junge Leute trinken Faxe Kondi (Zitronenlimonade) und laut Reiseführer wird viel viel Kaffee getrunken.
  • Lieblingsessen: je nach Region Eisbär, Walross, Robbe, auch Moschusochse. Und Fisch (Dorsch, Lachs, Heilbutt).
  • Das grönländische Nationalgericht ist Robbensuppe (bestehend aus Robbenfleisch, Zwiebeln, Kartoffeln und Reis). Robben werden sofort gekocht und innerhalb von zwei Tagen gegessen. In der Nähe von Siedlungen sehen wir oft Robben mit oder ohne Haut angebunden im Wasser treiben. So werden sie  frisch gehalten und später an die Hunde verfüttert.
  • Gemüse gibt es in Ostgrönland so gut wie garnicht. In den Läden gibt es Kartoffeln, Zwiebeln und etwas Tiefkühlgemüse. In größeren Orten auch Weißkohl, Paprika, manchmal Avocado und Staudensellerie. Gekauft wird das Gemüse von Dänen und Touristen. Die Natur bietet einige Pilze und viele viele Krähenbeeren. Die Beeren schmecken würzig lecker und eignen sich als Snack, für Kompott oder Marmelade. Angelika haben wir leider nicht gefunden, dafür sind wir wohl noch zu weit nördlich.
  • Sprachen: Ostgrönländisch ist anders als Westgrönländisch. Wer in Nuuk zur Schule gegangen ist, kann meist beides. Die jungen Leute sprechen oft Englisch und reden gerne mit uns. Ansonsten geht es auch mit Gesten ganz gut. Und es wird viel gelächelt.
  • Alkohol: einige trinken viel, andere trinken garnicht. Alkohol wird nur zu bestimmten Zeiten verkauft und oft hinter der Ladentheke gelagert (Bückware). Lars hat uns erzählt, wann er aufgehört hat zu trinken: als sein Cousin ihn zwar noch hören konnte aber nicht mehr erkannt hat, war es für ihn vorbei.
  • Von Isortoq aus fährt die Jugend am Wochenende gerne nach Tasiilaq. Mit dem Motorboot dauert es etwa 2 Stunden (rd. 30 sm, wir brauchen mind. 6 Stunden). Dort dann Freunde treffen und für manche Trinken bis zum umfallen.
  • Das Rollenverständnis ist oft noch sehr traditionell. Mädchen gehen i.d.R. nicht jagen. Als Kind wurde Bateba von ihrem Vater mitgenommen, als erwachsene Frau will sie niemand dabei haben. 
  • Auf Nachfrage dürfen Carola und Gunter unkompliziert im Ort campen. Der beste Platz, dicht bei einem Haus wird akzeptiert unter der Bedingung „no crying, no party, no alcohol“. 
  • Auch in kurzen Gesprächen geht es oft um Handys, Internet und Alkohol. Eine für uns ungewohnte Offenheit. 
  • In Ittoqqortoormiit waren die vielen Quads allgegenwärtig. Ein durchaus lautes Transportmittel. An unserem Ankerplatz war es dadurch nicht besonders ruhig. Ganz anders weiter südlich. In Kulusuk sind es schon weniger Quads, in Sermiligaq und Isertoq ist es ruhig, hier gibt es keine Fahrzeuge und alle gehen zu Fuß. 
  • Die Menschen sind freundlich und aufgeschlossen. Peroni sagt, dass wir als Gast ein Lächeln mitbringen sollen. Damit fahren wir gut. Wir grüßen alle und lächeln viel und wir werden viel angelächelt und freundlich begrüßt.

Text: Astrid (mit Hilfe von allen)

Auf dem Weg zur ANUK nach Ost-Grönland…

Mit dem Anspruch möglichst wenig zu fliegen, kamen Gunter und ich auf die Idee: Wenn die Fähre von Dänemark nach Island sowieso auf den Faröer hält, warum dort nicht aussteigen? Gedacht. Gesagt. Gebucht. Getan: Zwei Wochen Faröer, bevor es via Island nach Grönland geht. Und so gibt’s jetzt hier einen Blogbeitrag, weil ohne die ANUK wären wir nicht auf die Idee gekommen, die Faröer zu besuchen.

31.07.2023: Endlich geht’s los… Nach einer durchgemachten Nacht (letzten Pack- und Organisationsarbeiten) und anstrengender Zugfahrt nach Hirtshals (DK) – sowohl die deutsche als auch die dänische Bahn haben mit interessanten Änderungen aufgewartet – hieß es am Campingplatz Hirtshals „Ausgebucht!“, auch wenn es nicht voll aussah. Auf nochmalige Nachfrage „Nichts zu machen! 3km weiter gibt’s einen weiteren Campingplatz. Der hat auf jeden Fall was frei.“ 5km Fußweg weiter mit jeweils 20kg Gepäck fanden wir uns ziemlich k.o. auf einem schönen Campingplatz wieder. Der 1km entfernte Strand interessierte uns nicht mehr. Zelt aufbauen. Essen. Schlafen.

Am nächsten Tag Wecker um 6 Uhr. Alles wieder einpacken. 5km zurück nach Hirtshals. 1,5km weiter zum Fähranleger, SmyrilLine ist der am weitesten weg (alles Training! Puh!). Endlich auf der Fähre. Endlich ohne Gepäck. Endlich ausschlafen. Juchu! Faröer wir kommen!

Teil 1/2

Unter Schafen… 29 Stunden (02.08.2023 17 Uhr) später legte die Fähre in Tórshavn an, der Hauptstadt der Faröer. Der nahgelegene Campingplatz liegt direkt am Meer mit schöner Aussicht auf die Nachbarinsel Nolsoy. Einziges Manko: direkt an einer Straße. Küche, Klos, Duschen top. Gunter gibt 5 von 3 Sternen 😊 Nachdem Einrichten, erster Rundgang durch Tórshavn auf der Jagd nach Fish and Chips. Zwischendurch Schafe, vereinzelt auch Pferde und Hühner… in der Stadt in den Gärten.

Den ersten Tag verbrachten wir mit Infos einholen (viel zu viele), Einkaufen, Tórshavn erkunden, mit Leuten auf dem Campingplatz quatschen. Es waren mit uns einige Neulinge auf dem Platz, die wir z. T. schon auf der Fähre gesehen hatten: Ein Deutscher, mit einer Woche Zeit, wanderte – im Vergleich zu uns – scheinbar in einem irren Tempo durch die Gegend, hatte immer gute Tipps für uns; ein älterer Brite – Reisender, schon ein paar Tage vor uns angekommen, war die ersten Tage (warum auch immer?) mit portugiesisch lernen beschäftigt. Er hatte vier Wochen auf den Faröer und wollte danach auf Grönland den Artic Trail wandern; ein US-Amerikaner, das Sorgenkind des Platzes: wenig Geld, schlechtes Zelt, zwischendurch erkältet, sehr kommunikativ, tauchte immer irgendwie zur Essenszeit auf, so dass er öfters von uns mit verpflegt wurde. Er will nicht mehr in den USA leben und hat die Idee, irgendwo auf den Faröer einen Job abgreifen zu können. Jeden Tag wurden wir über den Stand seiner Interviews informiert; Ein Südafrikaner mit französischer Freundin, die jeden Tag aufwendige Menüs kochten; und weitere interessante und irgendwie skurrile Leute. Jeden Abend wurde vom Tag berichtet und Tipps ausgetauscht.

Zum Abschluss des ersten Tages: ‚open mic‘ in einer als Veranstaltungsort umgebauten alten Lagerhalle. Veranstaltet von einer Kanadierin mit italienischen Wurzeln, gefördert vom Kultusministerium, ist ein Opener immer eine etwas bekanntere färingische Band und danach können alle, die wollen, auf die Bühne. „Do you want to perform?“ „No, we are here to listen.“ „Great, you’re wellcome!“ Dieses Mal eröffnete ‚Bartal & Rútmubeiggjar‘ den Abend. Stilistisch mal John Lennon, abgefahrene Gitarrensoli, mal Lou Reed. Nach dem Konzert quetschte der Sänger und Gitarrist seine Instrumente in einen Lieferwagen vollgestopft mit Handwerkszeug. Kunst scheint auch auf den Faröer nicht zum Leben zu reichen. Nichtsdestotrotz scheint die Musikszene auf den Faröer relativ groß zu sein. Schon vorher hatten wir von vielen Festivals gelesen und auf der Fähre erzählten uns Färinger von dem größten Festival in Klaksvik, was an dem folgenden Wochenende stattfinden sollte und wo dieses Jahr u.a. Susi Quadro (<- die gibt’s noch?) als Hauptact spielte. In den beiden Wochen hörten wir immer mal wieder von Festen auf verschiedenen Inseln. Durch Zufall waren wir bei einem Konzert in einem schlucht-artigen Naturhafen, gefühlt am Ende der Welt, obwohl im Laufe des Tages viele Touris wegen der tollen Aussicht für einen Kurzbesuch vorbeikamen. In Gjogv spielte bei Wind und Regen ‚Tjant‘ 40min, bis den drei Musikern zu kalt wurde.

Nicht nur Musikfestivals, auch andere Festivitäten gibt es viele. Während wir auf den Faröer waren, fand auf Nolsoy (ca. 150 Einwohner*innen) das jährliche Ovefestival statt mit mehreren tausend Besucher*innen. Das ganze Spektakel zu Ehren von ‚Row-Ove‘ Joensen, der 1986 von den Faröer via Schottland nach Dänemark gerudert ist! Und ein Jahr später… ist er auf dem Weg von einer färingischen Insel zu einer anderen ertrunken. Beim Stadtbummel durch Tórshavn begegneten wir zwei Biertrinkenden, die vom letzten Fest übriggeblieben waren. „Hello! Hello!“ Andere Touris rannten verschreckt weiter. „Where are you from?“… „Germany, I was once in Germany for football, in Frankfurt!“… „Have a nice time!“

Fußball – wie wir später lesen – ist eine färingische Leidenschaft. Es gibt an den abgefahrensten Plätzen Stadien, in jedem kleinen Dorf mindestens ein Ort, wo gekickt werden kann und angeblich die meisten Fußballspielenden pro Kopf. Aktuell machte der Klub IK Klaksvik in der Championsleague von sich reden, wie uns einer auf dem Campingplatz erzählte. Und angeblich gibt es eine Strafstoß-Sonderregel: Bei ‚viel‘ Wind darf ein zusätzlicher Spieler den Ball auf dem Elfmeter-Punkt festhalten.

Und Wind gibt es immer, somit auch öfter mal viel Wind. An irgendeinem Berg hängt immer mindestens eine Wolke rum oder der Gipfel ist total verhangen. Deshalb gibt es die Warnung an alle Trekkenden: Vorsicht! Obacht! Sagt jemanden Bescheid, wo ihr lang laufen wollt. Und packt Sachen für alle Jahreszeiten ein. Es gibt sogar extra vorgefertigte Zettel, wo Du eintragen kannst, was Du vorhast. Schon auf der Fähre warnten uns Färinger. „Be carefull. It can be dangerous because of the weather!“. Auch wir fanden uns einmal komplett im Nebel und Regen wieder und hatten Mühe, den Weg zu finden. Aber, nun ja, zumindest dort war es weit entfernt von ‚dangerous‘, nur windig, kalt und nass. Hätten wir den Weg nicht mehr gefunden, wären wir an einer anderen Stelle runtergekommen, hätten weiterlaufen müssen. An anderen Orten kann das Verirren schon dramatischer sein.

Wetter-Vorhersagen für einzelne Orte sind schwierig. Hinter jedem Berg kann es anders aussehen. Einmal durch einen Tunnel gefahren (und davon gibt es viele!), Wetterwechsel. Uns sagte ein Färinger: „Es gibt Tage mit Regen! Es gibt Tage mit Nebel! Es gibt Tage mit Regen und Nebel! Und es gibt Tage, die sind heller!“ An manchen Tagen gibt es alles. Wir hatten Glück: Wir hatten viele helle Tage.

In den zwei Wochen fuhren wir kreuz und quer mit den Öffentlichen (Bussen und Fähren) über die verschiedenen Inseln, bestaunten die Natur und die abgefahrenen Ausblicke: einen Bootsausflug an zerklüfteten Felsen zu Kolonien von Papageientauchern und anderen Seevögeln; Ausflug auf die fast nördlichste Insel Svinoy, wo wir, um an Land zu kommen, von der Fähre springen mussten wegen dem Schwell und von einem Färinger zum Kaffee eingeladen wurden, der uns sein 100 Jahre altes Haus zeigte. Er hätte uns gerne mehr von der Insel erzählt, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten; Leuchttürme am Ende der Welt im Nebel; überall Flüsse, viele Wasserfälle; überall war es schön! Und da wir eine Wochenkarte hatten, sind wir auch mal nur zum Essengehen mit der Fähre auf die Nachbarinsel gefahren. Jeden Tag kamen wir an einer Bucht vorbei, wo seit Wochen drei Wale rum dümpelten und mit ihrer Anwesenheit den Verkehr aufhielten. Die Straße war gesäumt mit parkenden Autos, jeder Busfahrer verlangsamte die Fahrt und erzählte von diesen drei Walen. In den Nachrichten warnten die Behörden davor, dort anzuhalten und zu parken, es sei verboten, weil es zu Unfällen kommen könnte. Unfallverursacher*innen können nach unseren Beobachtungen aber nur Touris sein. Wir haben nur umsichtig fahrende Faröer*innen erlebt, die scheinbar keinen Stress haben. (Sie wollen vermutlich auch nicht ihre eigenen Schafe anfahren.) Schon wenn Du an einem Zebrasteifen die andere Straßenseite anguckst, halten alle sofort mehrere Meter davor und warten bereitwillig. Den Berliner Alltags-Straßenkampf gewöhnt, habe ich mich die ersten Male erschrocken und bin hektisch über die Straße gerannt.

Wir wanderten auf den ausgewiesenen Wegen. Auch das ist überall beschrieben: ‚Verlasse nicht die Wege!‘ Das meiste Land ist Privatbesitz und die Besitzer*innen sind not amused, wenn ständig irgendwelche Touris über Zäune klettern, dabei alles platt latschen und ihre Schafe erschrecken. An den Hotspots, wo wirklich alle hinrennen, gibt’s zum Teil befestigte Wege und es kostet ‚Eintritt‘.

Apropos Schafe: Es gibt mehr Schafe als Einwohner*innen und es scheint: ‚Sheeps rule the faroe!‘ Sie sind überall: Auf den Hängen und Wiesen, am Straßenrand und auf der Straße (so manches Auto muss warten, bis die Schafe Platz machen), oberhalb der Klippen und an steilen Hängen (Angeblich wurden Schafe vereinzelt auf abgelegene Wiesenstücke getragen, wo sie nicht weglaufen konnten. Dann mussten sie im Herbst nicht gesucht werden.) Überall sind Schafe und wenn Du vorbeikommst, gucken sie Dich schafig an. Auch wenn die Faröer u.a. für Schafwolle bekannt sind, scheren sich diese (Outdoor)-Schafe selber. Überall liegt und hängt die abgestreifte Schur rum. Der Rest hängt noch an den Schafen, macht lustige Schaffrisuren. Ich dachte mir nach ein paar Tagen, was die Schafe warm macht, macht auch mich warm und hab mir was davon in die Taschen gesteckt zum Händewärmen. Funktioniert! Und weil ich mit meiner Kopfkissen-Situation unzufrieden war, hab ich weiter gesammelt und kann seit dem mein Haupt kuschlig betten 😊 .

Schafe

Nach einer Woche wollten einige vom Campingplatz mit der Fähre weiter nach Island, andere ein paar Tage später zurück nach Dänemark. Aber zuvor gab es einen Sturm, der über Dänemark gezogen war und somit hatte die Fähre Verspätung… einen ganzen Tag. Alle freuten sich, einen Tag mehr und das Wetter war gut. Planungen, die hinten dranhingen, müssten halt geändert werden. Es gibt nur eine Fährgesellschaft, die zu den Faröer und Island fährt. Und das ist SmyrilLine. Die scheinen alles, was auf den Faröer mit Cargo zu tun hat, in der Hand zu haben. An den entlegensten Ort haben wir Hänger von SmyrilLine gesehen, gefühlt fuhren ständig LKWs mit dem Logo an uns vorbei. Und SmyrilLine fährt nur mit dieser einen Fähre. Ist sie einen Tag verspätet, ist sie die ganze restliche Hauptsaison verspätet. Erst in der Nebensaison gibt es Pausentage, fährt sie also wieder zu den geplanten Zeiten.

Nachdem wir das verstanden hatten, mussten auch wir umplanen. Denn der Flug Kevlavik – Kulusuk (Grönland), hing von unserm Flug innerhalb Islands ab, den würden wir verpassen. Wir wollten zwar möglichst wenig fliegen, aber auch nicht das Doppelte bezahlen. Und mit den Öffis kamen wir innerhalb Islands an einem Tag nicht von der Ostseite, wo die Fähre ankommt, auf die Westseite, wo der internationale Flugplatz ist. Kurzerhand buchten wir einen Flug Faröer – Kevlavik, hatten damit keine gemütliche Fährfahrt, sondern zwei Nächte in Reykjavik auf dem Campingplatz. Erkältet. Verregnet. Hektisch. Unfreundlich. Reykjavik war doof!

Letzter Abend in Tórshavn auf dem Campingplatz: großzügiges Reste-Kochen und -Verteilen, mit dem reisenden Briten, einem Norweger (der in Island lebte, dort Bäume pflanzte), der mehrere selbstgeangelte Fische – für ihn allein, viel zu viel – in den Ofen geschoben hatte, ein deutscher in Island Studierender, ein deutscher Mountain-Biker und natürlich der junge US-Amerikaner, der pünktlich zum Essen auftauchte. Als Extra gab es geschenktes Walfleisch und Matak (Walhaut mit Fettschicht). Ein Festessen!

Good bye Faröer…

Text: Carola

Eisberge

So einfach war es gar nicht, um nach Kulusuk in Grönland zu kommen. Nach der Zwischenlandung in Rykjavik wurde ich krank. Die zwar noch gültigen Covid-Tests funktionierten nicht mehr richtig, der erste war positiv, der zweite zeigte gar nichts und der dritte war negativ. Ich konnte es mir also aussuchen, aber der Körper sagte sowieso, weiterreisen sollte ich nicht. Also umbuchen bevor der Flug verfällt. Als ich drei Tage später in der Maschine sitze, erfahre ich, dass ich mit meinem alten Flug auch nicht früher angekommen wäre, denn der Flieger vom Freitag drehte nach 1 ¾ Stunden über Kulusuk um, da dichter Nebel das Landen unmöglich machte und kehrte nach Reykjavik zurück. Der Ersatzflug am Samstag über Nuuk startete erst gar nicht und am Sonntag gab es keinen Flug.

Wie glücklich bin ich, als ich kurz vor Grönland die ersten Eisberge im Meer treiben sehe. Der   Spaziergang durch Kulusuk zeigt eine andere Welt. Die Blicke schweifen zwischen den bunten Häusern auf vereinzelte Eisberge, die durch die Bucht treiben wie wechselnde Bühnenbilder im Theater. Die Inuit an der Ostküste Grönlands leben bis heute zum Großteil von der Fischerei und der Jagd. Für mich gewöhnungsbedürftig liegen erlegte Roben zu einem Bündel zusammengebunden an einem Felsen im Wasser. Im Hafen sehe ich einen halb zerlegter Delphin. Am Mittwoch 30.08. kommt die Anuk an. Astrid, Uli und Uta begrüßen mich herzlich. Sie haben zuvor Carola und Gunter in Tasiilaq abgeholt, damit ist die neue Crew komplett. Wir legen gleich am Nachmittag ab, um Henri durch den Angmagssalik Fjord nach Kungmiut zu bringen. Er will von dort zu einer großen Wanderung aufbrechen. Wegen der Gefahr von Eisbären hat er von einem Dänen aus Tasiilaq ein Gewehr und einen Hund ausgeliehen, der ihn nachts wecken soll, falls Eisbären auftauchen, damit er nicht im Schlaf überrascht wird. Wir können sein Gepäck kaum ins Schlauchboot heben, so schwer ist es mit ca. 35 kg.

Nach einer ruhigen Nacht vor Anker motoren wir durch den Ikasartivag Sund, da der Wind leider nur kurz und aus wechselnden Richtungen weht. Auf beiden Seiten ziehen hohe Berge und Gletscher an uns vorbei. Aus den unterschiedlichen Wettermodellen wissen wir seit Tagen, dass ein Sturm von Kap Farvel heraufziehen wird, der draußen auf See aus Nordost mit bis zu 60 kn in Böen wehen wird. Wir wollen den Sturm in einer von allen Seiten umschlossenen kleinen Bucht bei Tiniteqilaaq geschützt vor Anker abwettern.

Am nächsten Morgen erkunden wir bei 5° und Dauerregen den kleinen Ort und sind fasziniert vom Blick in den Sermilik Fjord, der voller Eisberge direkt vor uns liegt. Ein Strom von Eisskulpturen zieht an uns vorbei.

Text: Thomas

Old Ikateq

Am 16. August sind wir vom Knud Rasmussen Gletscher durch den Ikateq Sund gefahren und haben das erste Bild (s.u.) aufgenommen. Der riesige Eisberg hat uns Angst gemacht. Wäre er beim Passieren umgekippt, hätte er uns begraben. Er sah höher aus als die Lücke zwischen Eis und Ufer. 10 Tage später sind wir in den Ikateq zurück gekehrt, um hier zu übernachten. Der Eisberg ist noch da, in weißer Pracht, hoch aufragend, nur etwas weiter gerutscht und gedreht. Wir ankern unweit von drei Eikolossen vor einer halb zerfallenen Pier vor Bluie East 2. Im 2. Weltkrieg gab es hier eine amerikanische Airbase (1942 – 1947), als Wetterstation, Auftankstation und mit Krankenhaus für Schwerverletzte. Was für ein Ort! Als die Amerikaner abgezogen sind, haben sie alles zurück gelassen. Was brauchbar war, haben die Grönländer in die Siedlungen transportiert, alles andere liegt noch herum. Vor allem Holz, Schrott, leere Fässer. Wir gehen begeistert auf Foto-Tour und sind gleichzeitig geschockt und voller seltsamer Gefühle. Der zweite Weltkrieg ist plötzlich so nah.

Text: Astrid

Sermiliq Ford und Tiniteqilaaq

Nach erneutem Großeinkauf und voll mit Diesel verlassen wir die „Großstadt“ Tasiilaq und segeln rüber in den Sermilik Fjord. Unser Revierführer (Imray) enthält fast keine und der Greenland Pilot / Sailing Directions for
East Greenland nur wenige Infos zu Ankerplätzen. Die Seekarten (Papier und Digital) enthalten überhaupt keine Tiefenangaben. Bestens vorbereitet freuen wir uns über die günstigen Wetterprognosen und fahren ins Ungewisse. Der Sermilik verwöhnt uns mit viel Eis, viel Sonne und vielen Wale. In Tiniteqilaaq (kurz: Tinit) können einige Tage später recht geschützt ankern und von Land aus das Eis weiter bestaunen.

Text: Astrid

Audioday durch Grönland

Grönland ist eine ganz neue Welt, nicht nur die Augen können in jede Richtung staunen, auch die Ohren bekommen ganz viele neue und unglaubliche Eindrücke.
In den Siedlungen hört man den Wind um die Häuser pfeifen, doch richtig laut wird es, wenn Fütterungszeit der Schlittenhunde ansteht. Sobald ein Stück Robbe in Sicht kommt, legen sie den Kopf in den Nacken und durch die gesamte Bucht schallt ein ohrenbetäubendes Gejammer und Geheule, immer lauter, bis dann alle satt sind. Wie eine Feuerwehrsirene ertönt der Hunger der Hunde durch das Dorf, oft mehrmals am Tag.

Doch nicht nur an Land explodieren die Ohren, auch der Weg durch den Semilikfjord mit seinen vielen Eisbergen kann dem Gehör eine ordentliche Dröhnung verpassen. Wenn ein Eisberg, so groß wie ein Einfamilienhaus, auseinanderbricht oder sich dreht, dann donnert, sprudelt und kracht es durch den ganzen Fjord.
Oder war es vielleicht doch ein Schuss?

Doch nicht nur die Eisberge und Hunde können KRACH, auch die Wale kündigen sich gern lautstark an. Sie kommen aufgetaucht aus den dunklen Tiefen des Wassers und holen tief Luft, dabei blasen sie einen riesigen Wasserschwall aus der von weitem sichtbar und vor allem hörbar ist. Das Geräusch lässt sich vielleicht mit einem vollgepumpten Autoreifen vergleichen, dem das Ventil abgerissen wird.

Grönland kann aber auch friedlich, wenn die Anuk durch das Wasser zwischen den Eisbergen hindurchgleitet, hört man in der Ruhe nur das leise Knistern und Tropfen des Eises. Es ist wie eine Fahrt durch eine große Tropfsteinhöhle.
Manchmal hört man in dieser fremden eisigen Welt aber auch nur die Stille.
Zum Abend ertönt in der Kombüse das Klappern und Klirren der Töpfe gefolgt von dem einvernehmlichen Seufzen über das gute Essen und bald darauf ein sanftes Schnarchen aus allen Kajüten.

Text: Lucia & Uta

Sommer und Sonne satt

Mit etwas Verspätung ist er angekommen, der grönländische Sommer. Während es in Europa unerträglich heiß ist oder schwere Gewitter sich austoben, genießen wir tagsüber angenehme 20° C in der Sonne. Sogar die Badewassertemperatur steigt gefühlt auf mehr als 5° C.

Dazu meistens klare Sicht, blauer Himmel. Der fehlende Wind erleichtert das Ankern, dafür müssen wir viel Diesel in Kanistern heranschaffen.

Nach zwei wunderschönen Ankerbuchten sind wir die letzten Tage für Crewwechsel (diesmal ganz entspannt) und Einkauf seit dem Wochenende in Kulusuk und jetzt Tasiilak.

An Land viele Touristen in Outdoor Kleidung und mit Wanderstiefeln sowie Rucksäcken unterwegs. 

Und in Tasiilak gestern und heute pünktlich morgens ab 06:00 Uhgr ein Cruise Ship, dass ankert und etwas später größere Mengen an Passagieren an Land schafft. Gestern war der Spuk nach drei Stunden vorbei, heute werden wir hoffentlich vorher auslaufen.

Wie verbringen wir unsere Tage hier:

Ankerbucht Marie Havn: Ein Teil der Crew geht ein paar Stunden wandern, der Rest fliegt Drohne und trainiert Start/Landung, liest, genießt die Stille, angelt oder macht Ausflüge mit dem Dinghy (Man kann es auch Fahrtraining „Außenborder“ nennen.)

Unmengen an Kaffee und Tee werden getrunken und lecker gekocht.

Ankerbucht Tasiilak: Pünktlich um 09:00 Uhr bewaffnet mit Sackkarren, Rucksäcken und Taschen unterwegs zum Supermarkt „Pilersuisoq“, vorher einen Abstecher in die Laundry. Es gibt hier einen Waschsalon mit netter Servicekraft, die für uns die zweite Maschine belädt.

Im Pilersuisoq die Überraschung. Er ist recht leer gekauft, kein Klopapier (kleines Déjà vu Erlebnis), kein frisches Gemüse außer Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch (Ich muss an Bilder britischer Supermärkte zu Brexit Anfängen denken.). Das gerade angekommene Versorgungsschiff NANOQ ARCTIC ist zwar gerade eingelaufen, aber noch nicht entladen.

Lebensmittel und Wäsche an Bord schaffen, Dieseltank füllen (drei Fahrten mit dem Dinghy und Kanistern zur Tankstelle. Dort ist es sehr eng und zu flach für ANUK.).

Zum Mittag Spitzkohlsalat und frische Hefe Teilchen (die gab es im Supermarkt). 

Zu unserer Überraschung kommt ein Däne vorbei und fragt, ob wir französisch sind. Er bietet uns frisch gefangenen Lachs an. Ein großer Lachs landet in der Kombüse und eine Tafel Schokolade wechselt den Besitzer. Und wir genießen im Backofen gedünsteten Lachs zum Abendessen. Sehr, sehr lecker. 

Das mit dem selbst Fisch fangen hat bisher leider noch nicht geklappt. Trotz intensiver Bemühungen einzelner Crewmitglieder. Vielleicht wird es die nächsten Tage besser.

Das Eis für die Sun Downer oder für den kalten Saft wird entweder unterwegs mit dem Kescher gefischt oder vom Dinghy aus abgehakt, wenn das Eis zu groß zum an Bord nehmen ist. Schmeckt einfach besser.

Und sonst: Landschaft bestaunen, Eisberge bewundern und fotografieren und Eintauchen in die Umgebung. Mehr braucht es nicht …

Text: ULI