Aktuelles

Bibbern

Am Nachmittag kommt Graham an Bord. Statt wie geplant nach Ittoqqortoomiit zu fliegen, steigt er schon hier zu, um uns auf der Überfahrt zu begleiten. Graham haben wir 2018 in Südgrönland kennengelernt. Sein Motto Seven Summits – Seven Seas. Jetzt noch Two Sisters, von den Seven Sisters hatte er noch nicht gehört. Für alle Unwissenden: diese Berge stehen in Norwegen und sind nicht ganz so hoch und nicht ganz so bekannt.

Bei bestem Segelwetter ging es dann los. Frische Brise, Segel gerefft, 7 kn Fahrt Richtung Norden. Auf ins Eis! Plan A war, dass wir durchkommen, am 23. Juli ankommen (also mit 1 Tag Verspätung gegenüber der ursprünglichen Planung) und Eshana und Wolfgang am 24. Juli ihren Flug nach Island erwischen. Plan B kommt zum Tragen, sollte das Packeis zu dicht sein. Wenn wir länger brauchen, besteht die Option die Flüge auf den 27. Juli umzubuchen. Plan C würde bedeuten, dass wir nicht durchkommen, zurück nach Island fahren, Eshana, Wolfgang und auch Magda und Gunther absetzen und unser Glück später nochmal probieren, dann allerdings nur zu dritt. Plan C will niemand.

Nach etwa einem Tag, am Freitag, flaut der Wind wie vorhergesagt ab und wir starten den Motor. Meist fahren wir durch dichten Nebel, ab und zu kommt die Sonne von oben durch. Samstag früh erreichen wir die Eiskante. Sie kündigt sich durch einzelne kleine Eisbrocken im Wasser an, wenige Minuten später sind es große Schollen und Brocken, zu dicht um durchzufahren. Wir navigieren an der Kante entlang gen Norden. Das Radar hilft, da die Sicht wirklich mies ist. Abends versuchen wir auf Höhe Kap Tobin an der Nordseite des Scoresbysundes den Eisgürtel zu durchfahren und brechen nach etwa 3 sm wieder ab. Ohne Satellitenbilder lässt sich nicht einschätzen, wie breit der Eisgürtel ist. Rechtzeitig bevor es zu eng wird das Schiff zu wenden müssen wir umdrehen. Erstmal also wieder raus. Bis Mitternacht arbeiten wir uns an der Eiskante weiter nach Norden vor. Dort vermuten wir, dass das Eisfeld etwas lückiger wird. Wir bibbern vor Kälte und ob der Unsicherheiten. Ob wir überhaupt eine Chance haben durchzukommen, wissen wir nicht. Und der Eisgürtel hier draußen ist ja erst die erste Hürde. Drinnen im Sund kann auch noch alles dicht sein. Zum Wachwechsel kündigt Uli an, dass wir nicht ewig weiter nach Norden fahren können und bald umdrehen müssen. Wir befinden uns bereits rund 15 sm nördlich der Einfahrt in den Sund. Der Nebel lichtet sich. Im Norden leuchtet der Himmel von der nicht untergehenden Sonne. Es klart auf. Nächster Vorstoß. Hinter dem Eis ist tatsächlich offenes Wasser zu erkennen. Also los, rein ins Eis. Uli steuert zügig durch die Lücken. Alles ist in Bewegung, eine leichte Brise und die Strömung schieben das Eis langsam ineinander, durcheinander und weiter. Wir sind fast durch, dann wird es eng. Nur 2-3 Schifflängen trennen uns vom freien Wasser aber vorne ist alles dicht. Wir suchen uns die größte Lücke aus und fahren ganz langsam rein, schieben die Schollen cm für cm zur Seite. Eshana und Wolfgang arbeiten am Bug mit Stange und Bootshaken. Sie schieben einerseits das Eis weg und manövrieren 18 t Schiff in die gewünschte Richtung. Das Eis schabt am Rumpf. Es ist mega spannend. Gut, dass wir ein stabiles Schiff haben! Mal schiebt das Eis das Schiff, mal schiebt ANUK das Eis sanft zur Seite. Irgendwann helfen Wind und Strömung doch, wir kommen frei und sind durch. Offenes Wasser voraus! Grönland, wir kommen!

Ich (Astrid) lege mich schlafen. Die Freiwache ist jetzt kurz und ich brauche etwas, um runter zu kommen und einzuschlafen. Früh um 4 Uhr muss ich wieder raus. Wir haben inzwischen die Einfahrt in den Sund erreicht. Die nahe Küste ist auf dem Radarbild gut erkennbar, dank des dichten Nebels ist sonst leider nichts zu sehen. Pünktlich zum Wachwechsel treffen wir vor Kap Lister wieder auf Eis. Wieder ist es zu dicht, um durchzufahren. Wir weichen nach Süden, dann Südwest aus. Irgendwann wird das Eis voraus immer dichter und wir entschließen uns Richtung Westen weiter in den Sund vorzuarbeiten. Der dichte Nebel macht es schwierig, einen passierbaren Weg zu finden. Erfreulicherweise kommen wir Stück für Stück weiter. Kap Swainson liegt hinter uns. Pünktlich zum Wachwechsel um 8 Uhr werden die Eisschollen nach und nach kleiner. Bei dichten Nebel arbeitet sich jetzt Eshana weiter vor. Radar und Ausguck am Vorschiff helfen, um den Eisbrocken auszuweichen. Um 9:22 Uhr ist es soweit: Land in Sicht! Begeisterter Ausruf von Eshana. Kap Tobin und die verlassene Siedlung Unarteq tauchen vor uns auf, ganz dicht, nur wenig Eis. Riesige Freude und Erleichterung – wir sind durch! So schnell wie der Nebel kommt, so schnell klart es auch auf. Bald haben wir freie Sicht und Sonnenschein. Ein grandioser Sonntagmorgen. Für die nächsten 6 sm bis Ittoqqortoomiit (Scoresbysund) benötigen wir 3 Stunden. Eine schöne Slalomfahrt durchs Treibeis. Im Sonnenlicht ist das Eis wunderschön! Um kurz nach 12 Uhr fällt der Anker dicht vor der Siedlung. Annette, Frank, Ecki und Uschi stehen am Ufer. Sie konnten unseren Zickzack Kurs durchs Eis schon länger verfolgen.

Wir sind in diesem Jahr das erste Schiff. Wir freuen uns riesig über unser Glück und freuen uns auf die Zeit hier!!!

Text: Magda und Astrid

Start ins Ungewisse

Wir studieren permanent Eiskarten und Satellitenbilder. Nachdem es anfangs ganz gut aus sah, hatte sich letzte Woche vor den Eingang zum Scoresbysund wieder dichtes Packeis geschoben. Jetzt wird der Eisgürtel  Stück für Stück wieder schmaler und auch im Sund bricht das Eis langsam auf. Die letzte Eiskarte vom Dänischen Wetterdienst ist 3 Tage alt. Die Satellitenbilder zeigen meist nur Wolken oder Bereiche die uns weniger interessieren. Trotz alledem wollen wir gleich los. Letze Einkäufe sind verstaut, Diesel und Wasser sind vollgetankt, Hafengeld ist bezahlt und ausklariert haben wir auch. Plan ist, dass wir noch die nächste Eiskarte aus Norwegen abwarten und dann starten. Die nächste Crew ist bereits heute in Ittoqqortoormiit gelandet. In 2 Tagen werden wir sehen, ob wir durchkommen oder nicht. Reinhard und Peter werden uns unterwegs mit Eisinfos versorgen. Kleine Ausschnitte der Eiskarten und Satellitenbilder können wir über Iridium-Satellitenmail empfangen. 

Heute, Donnerstag 20. Juli, sitzen wir bei Sonne vorm Fish & Chips beim Mittagessen. Angeblich und tatsächlich der beste Fisch in der Gegend oder auch auf ganz Island. Sehr lecker! Zum Nachtisch gibt es Eis aus dem Supermarkt. Auch sehr lecker.

Fast pünktlich kurz nach drei kommt Graham mit dem Taxi aus Akureyri. Als Teil der nächsten Crew steigt er schon in Island dazu, um uns auf der Überfahrt zu begleiten. Leinen Los um 15:30. Mit einem Reff und gut 6 kn Fahrt segeln wir bei bestem Sonnenschein gen Norden. Drückt uns die Daumen, dass uns das Eis durchlässt! Bis bald….

Text: Astrid

Vom Walmuseum zum Heringsmuseum

Der ungeplante Zwischenstopp auf Island zieht sich hin. Bei Schietwetter war es toll, in Husavik sicher im Hafen zu liegen. Drei Tage Dauerregen, Nebel, Kälte. Wir versüßten uns den Aufenthalt mit lecker Essen gehen, einem phänomenal gelegenen Geothermalbad und einem informativen Walmuseum. Dann war aber auch genug mit Warten. Grönland zeigte uns immer noch die eiskalte Schulter – in Form von 60 km Packeis vor der Ostküste. Daher hieß es, weiter Island erkunden. Bei bestem Segelwetter und einem fantastischen Sonnenuntergang, ach ja, stimmt, hier geht die Sonnen ja auch wieder unter, ging es weiter nach Westen. Ein paar Fjorde weiter gibt’s nämlich das Heringsmuseum. Was? Ja, genau das. Siglufjordör war nämlich einst die Hauptstadt und der Hauptumschlagplatz des Heringfangs. Also nix wie hin da. Und wir wurden nicht enttäuscht: das preisgekrönte Museum ist wirklich zu empfehlen. Bis ins kleinste Detail und sehr authentisch präparierte Boote, Heringsfrauen-Quartiere und Fabrikgebäude, die man allesamt begehen kann: einmal am Tisch unter Deck des Heringsboots aus den 1940ern sitzen, in alle Schapps schauen oder auf der Schreibmaschine des Buchhalters tippen, alles erlaubt. In vielen deutschen Museen wäre das undenkbar. Aber so wird Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes erlebbar. Wir waren jedenfalls begeistert von der kleinen Zeitreise.

Siglufjördur empfing uns übrigens mit allerbestem Sonnenschein und das sollte auch so bleiben, gestern gab es hier sage und schreibe 15 Grad. Einige von uns erkundeten also die umgebenden Täler und Berge. Auch das örtliche, etwas aus den Jahren gekommene Schwimmbad wurde mehrfach ausprobiert. Trotz seines kühlen funktionalen Charmes haben wir das warme Wasser sehr genossen, die fröhlich im 40 Grad heißen Hot-tub planschenden isländischen Babies übrigens auch.

Aber, was soll ich sagen, auch Siglufjördur ist dann irgendwann durch, wenn man eigentlich gar nicht hier sein möchte, sondern 260 am weiter nördlich…

Text: Magda

North Sailing – Scoresbysund

Unser nächstes Ziel ist der Scorsbysund, an der Ostküste Grönlands, nördlich des Polarkreises, das längste Fjordsystem der Welt. Tatsächlich war und ist der Scoresbysund Anlass für den Kauf der ANUK und Höhepunkt dieser Reise. Zur Zeit warten wir noch darauf, dass das Eis weiter aufbricht und die Einfahrt in den Sund frei gibt. Die Vorfreude ist groß!

Wir liegen seit Montag Nacht in Husavik und warten auf „besseres“ Wetter. North Sailing bietet von hier aus Touren zur Walbeobachtung und auch Touren in den Scoresbysund an. Zeitweise werden wir parallel unterwegs sein. Über North Sailing haben wir für einen der Crewwechsel alle Flüge gebucht. Líney hat uns dazu wunderbar beraten und unterstützt. Gleich am ersten Tag haben wir sie besucht und uns über Island, Grönland und den bevorstehenden Törnabschnitt unterhalten. Da es eine kurzfristige Stornierung gab, sind auf einem ihrer Schiffe (Tilvera) vom 16. – 23. August 2023 noch Plätze frei. Eine super Gelegenheit, dieses Traumrevier zu besuchen! Die Tour startet und endet am Flughafen bei Ittoqqortoormiit. Bitte streut diese Info weiter, denn es wäre schade wenn die Kojen leer bleiben (vergünstigte Preise sind möglich).

Tilvera ist die alte Anne-Margaretha, auf der ich bereits zu den Kap Verden, in die Antarktis und durch Patagonien und Chile gesegelt bin. Ein tolles Schiff, schön und sicher.

Wer spontan buchen und mitsegeln will, findet hier die Infos: Link

Kontakt: Líney Gylfadóttir / E-mail: liney@northsailing.is

Houston, wir haben ein Problem

Im letzten Beitrag hat Astrid euch ja schon die hard facts rund um die vom Wetter vereitelte Jan Mayen-Expedition geliefert. Heute lege ich mal nach – mit einem Bericht von unserer Ankunft auf Jan Mayen.

Habt ihr euch schon mal gefragt, wie es ist, auf einem anderen Planeten zu landen? Wir kamen diesem Gefühl auf Jan Mayen ziemlich nahe. Aber lest selbst wie unser Annäherungsversuch ablief: In einer fernen Galaxie, in der Kälte und die Abwesenheit menschlicher Existenz vorherrschen, näherte sich das Raumschiff ANUK nach fünf Tagen einem weitestgehend unbekannten Planeten. Von Nebelschwaden umhüllt und von einer blau schimmernden Flüssigkeit namens Nordmeer umgeben, lag er da und wurde seinem schlechten Ruf als Wetterküche des Teufels mehr als gerecht. Widrige kosmische Fallwinde und hoher Wellengang zwingen die ANUK, den ersten Anflug abzubrechen. Doch die Crew gibt so leicht nicht auf. Commander Uli berechnet die Flugbahn neu, holt in einem großen Bogen Anlauf und nimmt in einem kleinen Zeitfenster, in dem der Wind abflaut, nochmals Kurs auf Jan Mayen. Am frühen Morgen des 8.7.2023 ist es dann so weit: Die Landungskapsel mit vier Janmayonauten, zwei davon in orangenen Kälteschutzanzügen, koppelt sich vom Mutterschiff ab. Nach einem wilden Ritt durch die Brandungszone, schaffen Wolfgang, Eshana, Gunther und Magda es tatsächlich zu landen. Völlig durchnässt betreten sie die unwirtliche, aber faszinierende Welt Jan Mayens. „Nur ein kleiner Schritt für mich. Aber ein großer Schritt für die Menschheit“, hieß es einst bei der Mondlandung.

Ähnlich unberührt wie der Mond liegt auch der weite Strand der Kvalrossbukta vor uns. Schwarzer Sand und braunes Lavagestein zeugen von vergangenen Vulkanausbrüchen. Gigantische Walskelette, die hier vor Jahrhunderten von Walfängern hinterlassen wurden und teilweise bereits von Moos und Flechten bewachsen sind, liegen verstreut in der kargen Bucht. Tote Möwen rotten vor sich hin. Es riecht nach Modder. Ringsum ragen von giftgrünen Moosen bewachsene Hänge auf, über die langsam Nebel kriecht. Der Himmel ist von dunklen Wolken durchzogen. Jan Mayen versprüht eine düstere Atmosphäre.

Die Crew verstreut sich in alle Himmelsrichtungen. Ich bleibe allein am Strand zurück und wandere zwischen unzähligen Treibholzstämmen herum, die hier – so die wissenschaftliche These – aus dem weit entfernen Sibirien angetrieben wurden.

Der Nebel wird immer dichter und beim nächsten Blick aufs Meer ist die ANUK schon fast nicht mehr zu sehen. Ach, wenn wir mal ein Stück rausgefahren sind, werden wir sie bestimmt wieder sehen, denke ich mir und stapfe ein paar Meter über das weiche Moos bergauf. Als ich mich nochmals umdrehe, ist die ANUK komplett verschwunden. Ähm…wo sind die anderen? Nach ein paar bangen Minuten tauchen Eshana und Wolfgang aus dem Nebel auf, kurz darauf Gunther. Nun heißt es, schnellstmöglich zur Landungskapsel zurückkehren, die Kälteschutzanzüge wieder anziehen und das Dinghi startklar machen. Dumm nur, dass beim Anlanden eine Welle ins Boot gebrochen ist. Den Motor können wir so nicht starten. Paddeln ist also angesagt. Inzwischen hat auch der Schwell zugenommen. Auch wenn es verlockend wäre, einfach etwas abzuwarten, bis sich der Nebel verzogen hat – bei der ansteigenden Brandung und der Prognose, dass der Wind in Kürze zunehmen wird, ist allen klar, dass wir schnell sein müssen. Wo ist also der beste Einstiegspunkt? Brechen die Wellen da drüben nicht etwas niedriger? Also los, Dinghi über den Strand schleppen. Nee, hier auch nicht. Da, noch etwas weiter sieht es besser aus. Nach kurzer Zeit wird klar: besser wird’s nicht. Also rein da und so schnell wie möglich durch die Brandungszone durch. Der erste Versuch fällt unserer Unentschlossenheit und Diskutierfreudigkeit, um es freundlich auszudrücken, zum Opfer. Kaum sitzen wir alle im Dinghi, fegt uns eine große Welle mit Schmackes wieder an den Strand. Schnell aussteigen, Dinghi leerschöpfen und einen neuen Versuch starten. Diesmal stapfen wir alle ins bauchtiefe Wasser, beobachten die Wellen und stürzen uns nach einem beherzten „Los, jetzt!“ in die Fluten. Wolfgang und ich paddeln, Gunther und Eshana halten nach ANUK Ausschau. Wir paddeln wie die Blöden, ANUK bleibt aber unsichtbar. Was, wenn wir zu weit aufs Meer paddeln? Keine schöne Vorstellung. Hinterher erfahren wir, dass Uli und Astrid uns irgendwann auf dem Radar gesehen haben und notfalls hätten lotsen können. Nach einigem Gepaddel, das sich anfühlte wie eine Ewigkeit, erscheint die ANUK wie ein Geisterschiff aus dem Nebel – und verschwindet wieder. Aber zur guten Letzt erreichen die vier Janmayonauten völlig durchnässt, aber erleichtert wieder das Mutterschiff. Commander Uli und Co-Pilot Astrid können sich nach all dem Bangen wieder entspannt zurücklehnen (wobei, den vielen Möwenfotos nach zu urteilen, die wir hinterher zu sehen bekamen, kann ihnen nicht allzu bange zumute gewesen sein).

Denn der Wind wird nun zunehmen und nach einer weiteren kurzen Verschnaufpause in den kommenden Tagen stark bis stürmisch werden. Da es unter diesen Bedingungen auf Jan Mayen keinen Hafen und weder auf Jan Mayen noch in Ostgrönland eine geschützte Bucht für uns gibt, bleibt uns nur, in den Süden abzuhauen und Kurs auf Island zu nehmen. Schweren Herzens lichten wir den Anker und lassen Jan Mayen hinter uns. Die Idee der Beerenbergbesteigung, die vor über einem Jahr geboren wurde, ist damit gestorben.

Text: Magda

Abstecher nach Island

Letzte Nacht um 1 Uhr Bordzeit (hier erst 11:00) sind wir in Husavik auf Island eingelaufen. Das war so nicht geplant.

Hier die Kurzform (ausführlicher Beitrag folgt):
Samstag, 8. Juli, Wetter wechselhaft. Teils blauer Himmel und Flaute, später auffrischend mit schnell ziehenden Wolken, abends statt leichter Briese dann doch 5 – 6 Bft. und zackige Böen. Runtergerefft kreuzen wir Richtung Kvalrossbukta. Dort dann die Ernüchterung. Aus einer ruhigen Nacht vor Anker wird nichts. Fallböen peitschen das Wasser auf, am Ufer kräftige Brandung. Wir drehen ab und bleiben erstmal draußen.

Die Wetterprognosen die wir über Navtex und als grib-files über Iridium abrufen sind niederschmetternd. 25 – 30 kn Wind (6 – 7 Bft.) aus Nord, dann kurze Pause und wieder Starkwind aus Nord. Wir beschließen, gleich morgen weiterzufahren. Die Berg-Crew absetzen ist das eine, sie wieder abzuholen das andere. Und das scheint für die nächsten 6 Tage aussichtslos zu sein. Die Schiff-Crew müsste dafür hier tagelang auf und ab fahren, da es hier keine wirklich sicheren Ankerplätze gibt. Ob eine Besteigung des Beerenbergs möglich ist, ist sehr unsicher. Die Phasen mit wenig Wind sind zu kurz.

Sonntag früh sollte es kurz ruhiger werden, bevor der Wind über West auf Nord dreht. Das Zeitfenster haben wir für eine kurze Ankerpause mit Landgang genutzt. Dazu mehr im nächsten Beitrag.

Frustriert machen wir uns auf Richtung Süden. Der Beerenberg zeigt sich nochmal kurz in voller Pracht. Die Überfahrt verläuft gut. Wir haben genügend Abstand zum Starkwindfeld, segeln erst am Wind, später vor dem Wind mit 6 – 8 kn Fahrt. Vor Island flaut es ab, die letzten Meilen motoren wir. Husavik im Norden Islands erreichen wir gegen 23 Uhr lokaler Zeit. Jetzt heißt es erstmal abwettern und abwarten.

Nehaj, Waltag, Manta und Land in Sicht

In den letzten Tagen ist doch noch einiges passiert. Mittwoch gleich nach dem Abendessen wird ANUK über Funk gerufen. Die Überraschung ist groß, Susanne auf Nehaj sind auch hier unterwegs. Von Svalbard kommend kreuzen sie unseren Kurs mit rd. 2 sm Abstand. Leider hängen wir im Nebel und können uns nicht sehen. Es ist schön sich wieder zu sprechen, ein richtiges Wiedersehen ist es ja leider nicht. Ansonsten ist hier draußen niemand. Schiffe haben wir nur über AIS längs Norwegens Küste achteraus kreuzen sehen und das ist schon länger her.

Am nächsten Tag sehen wir die ersten Minkwale. Endlich! Und am Freitag ist Waltag. Immer wieder schwimmen sie vorbei, kommen teilweise heran und zeigen sich mal Backbord, mal Steuerbord ganz nah. Es ist windstill, das Wasser ist so flach, dass wir weit weg am Horizont immer wieder Rücken auftauchen oder Blas sehen. Sehr sehr schön!

Solange es geht segeln wir. Dann kommt doch der Nanni zum Einsatz. Vor Abfahrt hatte Uli noch die bisher fehlende zweite Heizung angeschlossen und so können wir jetzt unsere neu installierte Wärmetauscher Heizung testen. An den Kühlkreislauf angeschlossen bläst sie warme Luft in den Salon und heizt diesen schnell auf 20 °C hoch. Zuvor waren es 13-15 °C, so dass es allen etwas warm ist.

Wir nutzen das ruhige Wetter und bauen den Manta Trawl zusammen. Idee, Anleitung und Planktonnetz kommen von Lauren und Caroline (https://www.weniger-ist-meer.com). Am Nachmittag kommt der Manta, wir nennen ihn ganz klassisch „Manni“, ins Wasser. Über die Großbaumnock lässt sich das Gerät kontrolliert zu Wasser lassen und bergen. Mit dem Manta Trawl wollen wir Mikroplastik fischen. Wir sind gespannt, ob bzw. wie viel wir hier oben im Nordmeer und in den Fjorden Grönlands finden. Der erste Fang ist ernüchternd. Alles voll roter Algen und auf den ersten Blick kein Plastik (das ist gut!).

Später kommt langsam etwas Wind auf und wir können wieder Segeln. Während unserer Morgenwache kommt dann endlich Land in Sicht. Grau schimmert es durch Wolken und Dunst. Jan Mayen voraus! Nach und nach wird die Sicht besser. Die Sonne kommt raus und wir können zwischen den Wolken etwas von Gletscherberg sehen. Wenn alles gut geht werden wir hier ein paar Tage bleiben und die Insel erkunden.

Norwegische See

Montag Sonne und super Segelwind, Dienstag super Segelwind und dichte Wolkendecke, Mittwoch (heute) dümpeln wir bei schwachen Wind und Nebel vor uns hin. Die Bordroutine hat sich eingestellt, an den Wachrhythmus haben wir uns gewöhnt. Bei 6 Personen ist das entspannt – 4 Stunden Wache, 8 Stunden Freiwache. Genügend Zeit zu schlafen, zum Essen kochen, lesen, quatschen. Die Navigation ist einfach, es geht quasi immer geradeaus.
Jan Mayen wir kommen.

Bei Sonne ins Nordmeer

Tromsø war super, wie immer. Das Bergtraining ist etwas kurz gekommen. Gunther war zweimal, Magda und Astrid nur einmal auf dem Hausberg „Storsteinen“. Der Rest der Zeit ging für Arbeiten am Schiff (das hört nie auf), verproviantieren (das dauert), Haare schneiden (war dringend nötig), etwas Sightseeing, Krabbensandwich usw. drauf. 

Am letzten Abend haben uns auf dem Saunafloß eingebucht. Die Sauna lag direkt neben unserem Liegeplatz. Mit Panoramafenster zu Hafen und Sund, mit Blick auf Eismeerkathedrale und schneebedeckte Berge. Ein Traum! Absurd wurde es, als ein vollbesetztes Rib (schnelles Schlauchboot) vorbei kam. Die Touris in bunten Kälteschutzanzügen vermummt mit Kamera, wir fast nackt hinter der Scheibe. 

Bei fast Flaute und Sonnenschein hieß es kurz vor 11 „Leinen los“. Kurzer Zwischenstop zum Diesel tanken, dann ging es zuerst noch unter Motor vorbei an Inseln und Bergen Richtung offene See. Inzwischen liegt Norwegen achteraus und wir segeln bei halben Wind der Sonne entgegen. 7 kn Fahrt, das kann gerne so bleiben.

Text: Magda und Astrid 

Auf nach Tromsø

Heute morgen (29.06.) um 06.00 Uhr ging’s endlich los. Wir haben den Steg in dem idyllischen Örtchen Stonglandseidet auf der Insel Senja nach 1,5 Tagen verlassen und sind am Segeln. Wobei Segeln es nicht ganz genau trifft, wir motoren, weil Wind und Strömung uns heute nicht besonders zugeneigt sind. Macht aber nix. Immerhin sind wir im Zeitplan, die Ersatzkühlwasserpumpe ist angekommen und wurde erfolgreich eingebaut (ein Hoch auf Uli) und die neue Crew, bestehend aus Eshana, Wolfgang, Astrid, Gunther und mir, Magda, hat trotz widriger Umstände eine Punktlandung auf der ANUK hingelegt. Besonders für die Berliner*innen (Astrid, Gunther und Magda) waren die Umstände der Anreise in der Tat widrig. Insgesamt gut 130 kg Gepäck wollten per Nachtzug, Bus und Fähre nach Nord-Norwegen gebracht werden, aber nun nicht nach Tromsø sondern auf die Insel Senja. Astrid verdiente sich dabei mit ihrem „kleinen schwarzen Handtäschchen“, das sie dabei hatte, übrigens die goldene Ameisentrophäe für das krasseste Körper-zu-Gepäck-Gewichtsverhältnis. Neben dem üblichen Segelequipment, schleppte und zog Astrid also dies und das, was noch auf dem Boot fehlte, wie Paddel oder Isolierboden fürs Packraft sowie, wie wir alle auch, all das Bergsteiggedöns, das wir für die Besteigung des Beerenbergs auf Jan Mayen benötigten, darunter Schneeschuhe, Steigeisen, zwei Zelte, ein Seil usw. gen Norden.

Umstieg in Stockholm

Anbei übrigens schonmal die Antworten auf die brenzligsten Fragen: 1.) Bergsteiggedöns? Ja, genau, das ist die Etappe mit den drei Bekloppten, die in weglosem Gelände 52 km zurücklegen wollen, um einen 2277 m hohen Berg auf einer meist von Nebel verhangenen Insel zu besteigen. 2.) 130 kg Gepäck? Ja, Uli hat uns mit all dem Geraffel aufs Boot gelassen. Und 3.) Doch, alles hat auf ANUK ein Plätzchen gefunden. Wie das? Na, weil ANUK’s Schapps bei genauerer Inspektion ungeahnte Tiefen offenbaren. Für den Proviant ist halt kein Platz mehr. Aber den kann man sich in Norwegen ja eh nicht leisten…

Da passt noch was rein…

Doch nicht nur der Umfang des mitgeführten Gepäcks machte die Anreise aus Berlin beschwerlich. Nein, die schwedische Bahn wollte der deutschen Konkurrenz machen und damit logistisch noch ein wenig mehr Spannung in die Sache bringen. Hatte der Nachtzug nach Stockholm schon eine satte Verspätung, legte die Bahn auf der Strecke nach Narvik nochmal nach, so dass wir erst mit 2,5 h Verspätung in Narvik ankamen. Da ANUK ja auf Senja lag, wurde schnell klar, dass wir die einzig mögliche Busverbindung, die uns mit mehreren Umstiegen bis zur ANUK gebracht hätte, wie sollte es anders sein – verpassen werden. Nach dem Durchspielen zahlreicher Weiterreise-Optionen, haben wir uns schließlich für die Variante des sündhaft teuren Taxitransports ab Finnsnes zur ANUK entschieden. Dort angekommen, wurden wir nach knapp 49 h Anreise, von Wolfgang, der bereits auf dem vorherigen Törn mit an Bord war, mit Kaffee und Tee in Empfang genommen.

Eshana dagegen hatte Glück: ihr Propellerflieger ließ den geplanten Zwischenstopp in Bodo wegen dichten Nebels einfach aus und so landete sie kurz vor Mitternacht früher als geplant in Tromsø. Am nächsten Morgen erreichte sie dann zusammen mit Uli per Fähre und Taxi die ANUK.

Nun sind wir also endlich unterwegs und schippern seit Stunden gemütlich durch die verschiedenen atemberaubenden Sunde, an schroffen Gipfeln, satt grünen Wiesen und weißen Karibikstränden vorbei. Kaum vorstellbar, dass wir bald die T-Shirts mit dicker Thermokleidung tauschen werden. Aktuell sind es 23 Grad bei blauestem Himmel. Was will man mehr?

Erste Trainingseinheit auf den Hausberg hinterm Liegeplatz auf Senja. Leider in Begleitung Tausender Moskitos und Fliegen.

Schaut auch gerne auf dem Instagram-Kanal zu dieser Etappe rein:

https://instagram.com/arctic.horizons?igshid=OGQ5ZDc2ODk2ZA==

Text: Magda