Backoffice

Am Sonntag 25. August verlassen ULI und Crew Grönland. Die Wetterprognose sieht ganz okay aus und so gibt es keinen Grund länger zu warten. Ich stelle mich darauf ein, täglich die Wettervorhersagen (DWD und Predict Wind) anzusehen und zu warnen, falls etwas Bedrohliches aufzieht. Doch Starkwind wird bei dieser Überfahrt nicht das Problem sein.

Ärger bereitet mal wieder die Technik, diesmal ist es der Motor. Am 28. August schreibt Uli:
„Unser Motor erstaunt mich immer wieder (….).“

Was war passiert? Der Air Cooler hängt etwas tiefer. Nach längerem Suchen ist die Ursache klar, überrascht aber. Die massive Halterung ist komplett durchgerissen. Der Riss ist seitlich versteckt und durch Leitungen und Kabel verdeckt. An der Halterung fehlt eine Schraube. Das passt zu einer Schraube, die Uli Mitte Juni schon im Motorraum gefunden hat. Wir haben hatten allerdings nie die Stelle gefunden, wo die Schraube hin gehört.

In der täglichen Positionsmeldung schreibt ULI:
„Wir hängen im Schwachwind Loch und kommen mit gut 2 kn Fahrt mühsam voran. Motor will ich zurzeit nur nutzen wenn möglich (gebrochene Halterung für Luft- und Ölkühler, provisorisch heute Nacht fixiert).
@ Astrid and Mike: maybe Mike can organize the spare part in UK and/or bring it to Falmouth“

Das ist der Startschuss für ein unerwartetes Programm für die nächste Woche. Mike und ich chatten ständig, stöbern in Onlineshops, telefonieren mit Ersatzteillieferanten. Wir verzweifeln, lachen, wundern uns. Hier die chronologische Zusammenfassung:

–       28.8. abends Internet durchsucht. Kein Händler in UK hat das Teil vorrätig. Yach-supply24.com (Onlineshop in den Niederlanden) hat alle Teile, liefert weltweit, laut Webseite Lieferzeit 1-2 Wochen.

–       29.8. Peachment in UK (größter Ersatzteillieferant dort) bietet Lieferung in 2-4 Wochen an. Artikelnummer für die Halterung hat hinten ein A, Peachment bietet Teil mit gleicher Nr. aber hinten ein B an.

–       30.8. Frage bei Yacht-Supply nach den genauen Lieferzeiten Westport (Irland), Falmouth (England) und Calais (Frankreich).  

–       30.8. Bukh-Bremen hat die Halterung nicht auf Lager. Anfrage bei Nanni in Frankreich läuft, bisher keine Antwort.

–       30.8. Beschließen erst Montag über die Bestellung bei Peachment zu entscheiden.

–       Wir versuchen, eine Lieferung nach Calais zu organisieren. Mike ist bei seinem Schiff in Dover und bietet an, das Teil dort abzuholen.

–       2.9. Bukh-Bremen setzt alle Hebel in Bewegung und organisiert eine direkte Lieferung von Nanni (Zentrallager) nach Calais.

–       2.9. Wir stornieren die Bestellung bei Peachment.

–       3.9. Bukh-Bremen stellt Lieferung nach Calais in Aussicht, dann die Absage. Direktlieferung von Nanni innerhalb von Frankreich ist nicht möglich.

–       Ich kontaktiere MECA Diesel in Frankreich. Verständigung schwierig, da ich kein Französisch spreche.

–       4.9. Gerda ruft mit Unterstützung ihrer Schwiegertochter (Französischlehrerin) bei MECA Diesel an. Diverse eMails gehen hin und her. Mit Übersetzung oder in Englisch. Um 15:18 habe ich ein Angebot. Lieferung direkt zu einer Werkstatt in Caen.

–       4.9. Antwort von Yacht-Supply: Lieferzeit Irland 3 Wochen, England 3 Wochen. Ich bedanke mich und sage ab.

–       5.9. Konnte inzwischen klären, dass die Teile nach Calais geliefert werden. Sofortüberweisung klappt. Laut Tracking soll das Paket zwischen 8:00 und 13:00 ankommen, Adressat ist die Marina in Dover. 

–       6.9. Es wird nochmal spannend. Hier der Bericht von Mike (Originaltext):

0600 Mike drives to dover from job  3 hours. 
1000 Waits for news regarding parts 
1130 Courier says “refused” 
1230 start the investigation by phone 
1300 discover Richard refused in port authority 
1400 Mike calls Richard and almost starts ww3 about to say you are a complete French asshole 
1401 Richard says the package is here 
1402 Mike says thankyou 
1530 ferry to France, walk 30 mins find out no foot passengers next ferry 1730 arrive 2000
Tild if you had a bike you can get any ferry 
1415 RUN yes RUN back to yacht get the bike, cycle back to ferry terminal 
1445 check in last person for ferry 
1520 depart UK for calais 
1522 office with package closes 1800
Ferries arrives 1800 
Problem! 
Solution ask manager Thomas in Calais marina to put the fucking part in the bar above the marina 
1523 Thomas agrees 
1524 all well. WE SAIL FOR FRANCE 

–       6.9. 18:00 schließt das Büro der Marina und die Fähre kommt an. Das passt zeitlich nicht. Mike bittet darum, dass das Paket in einer Bar deponiert wird, wo Mike es tatsächlich wenig später in Empfang nimmt. Gefeiert wird mit Bier und Essen. Dann geht es mit Fahrrad und Abendfähre zurück nach Dover.

–       7.9. Mike erreicht Falmouth gegen Mittag und nimmt um 16 Uhr die Leinen an. 16:28 kommt die Nachricht „Job done“!!!

–       8.9. Uli verbringt den Tag im Motorraum und wechselt die Halterung. Nicht alle Schraubenlöscher passen, also muss neu gebohrt werden.

–       9.9. Testlauf – alles okay!

Es bleiben die Fragen, warum die Halterung gerissen ist, warum zuvor die Schraube sich gelöst hat, warum sich früher schon anderen Schrauben gelöst haben bzw. abgerissen sind und ob bzw. wann der Ärger aufhören wird. Trotzdem ist es schön und das Wichtigste, dass ANUK, nach gut 16 Monaten wieder zurück in Europa ist und ULI es geschafft hat, alle Schäden zu reparieren.

Herzlich willkommen zurück!

Text: Astrid

Zwischen den Welten

Wir zitieren Bernhards Tagebucheintrag von gestern: „grauer Tag, immer noch hart am Wind. Es passierte: nichts.“

Heute hat der Wind nochmal zugelegt und wir mussten weiter hoch am Wind gegenan. Richtung Schottland, nicht ganz unser Ziel. Immerhin hat er gegen Abend wie vorhergesagt endlich auf SW gedreht und wir laufen jetzt unter Vollzeug bequem mit am Wind Kurs Scilly Island.
Was passierte: die Sonne zeigte sich kurz.

Wir sind jetzt 6 Tage unterwegs. Letzten Sonntag ging es um 05:30 Uhr mit dem ersten Licht los und wir hatten traumhaft schönes Wetter im Prins-Christian-Sund. Es blieb die ersten Tage sonnig, leider oft auch nur schwachwindig. Da wir den Motor nicht nutzen wollen, heißt es mit 2-3 kn Fahrt langsam Richtung Europa schaukeln.

Das Bordleben hat sich eingespielt, das Zeitgefühl ist dahin, alle haben sich an die Schiffsbewegungen und Wachrhythmus gewöhnt. 

Schiffe haben wir nur zwei Frachter gesehen. Beide haben uns per Funk kontaktiert, sich erkundigt, ob alles ok ist und ihre Verwunderung geäußert uns hier so weit draußen zu sehen.  Ansonsten hat die Morgenwache heute einen Delphin gesichtet. 
Der Wetterbericht sieht gut aus, wir freuen uns auf weitere entspannte See Tage.

Text: alle

Fata Morgana

In den letzten Tagen haben wir wiederholt Fata Morganen gesehen. Diese aus Wüsten bekannten Luftspiegelungen lassen sich auch in der Arktis beobachten. Am Übergang zwischen kalten und warmen Luftmassen werden Inseln und Eisberge gespiegelt. Hier ein paar Bilder dieses hübschen und irritierenden Phänomens.

Und weil es so schön ist, noch ein paar Eisbilder aus den letzten Tagen. Bei Abenddämmerung, bei Nebel und bei Sonne.

Marrak Point / Bluie West Four

Am Freitag verlassen wir nach dem Frühstück die Hauptstadt Nuuk. Wie zu befürchten war ist kaum Wind, sodass wir dieseln müssen. Wir arbeiten uns küstennah durch das Inselgewirr nach Süden vor. Das Fahrwasser ist durch Baken auf den Inseln gekennzeichnet. Teils sind weite Bereiche vermessen, teils gibt es nur eine aus wenigen Tiefenangaben bestehende Lotreihe. Überall sind zeitweise trockenfallende Felsen und unter Wasser liegende Steine verzeichnet. Die elektronischen Karten sind ein Segen, Navionics und C-Map sind gleichermaßen genau und zeigen unsere GPS-Position richtig an. Trotzdem sind wir vorsichtig, bei Tiefen unter 10 m fahren wir langsamer, wenn es gar unter 5 m sind versucht eine Person am Bug die Untiefen rechtzeitig zu erkennen. Den Kiel holen wir halb hoch und lassen die Leine, die ihn unten hält offen. So kann der Schwenkkiel bei Grundberührung einfach hoch schwenken. Kritisch würde es werden, wenn es flacher als 1,20 m ist. Das gab es hier noch nicht. Bisher sind wir ohne Grundberührung durchgekommen.

Am Nachmittag wird das Wasser immer milchiger, die Durchfahrten werden enger, die Tiefenangaben auf den Karten spärlicher. Wir fahren durch eine karibisch anmutende Inselwelt mit milchig-blauem Wasser, Sandstränden, flachen Schäreninseln. Am Abend ankern wir in einer großen Bucht an der Halbinsel Marraq (Übersetzung: Clay bzw. Lehm) mit langem Sandstrand und sehr großen Dünen.

Durch das Fernglas wird erkundet, ob irgendwo Handtücher ausliegen, so einladend sieht es aus. Doch wie fast immer sind wir auch hier wieder allein.

Nach einer ruhigen Nacht ist es morgens diesig und es regnet. Wir drehen uns nochmal um. Als es etwas freundlicher ist, wird aufgestanden. Kurzes, erfrischendes Morgenbad am Heck; Heizung an, Kaffee kochen, Frühstück. Dann Landgang zu viert, Uli und Yannick bleiben an Bord.

Aus unserem Revierführer wissen wir, dass es hier im 2. Weltkrieg ein Flugfeld mit Radio- und Wetterstation gab. Die flache Ebene wurde 1942 zufällig von einem Piloten entdeckt, der sich verirrt hatte und dem der Treibstoff ausging. Bei den sonst allgegenwärtigen Bergen und Felsen war das ein Glücksfall. Die natürliche Schotterebene eignete sich gut als Landebahn und wurde von 1942 – 1948 als Teil der US Militärbasis „Bluie West Four (BW-4)“ genutzt. Später hatte niemand mehr Verwendung für diese entlegene Landemöglichkeit und alles verfiel. Die Landebahn war noch lange auf Flugkarten zu finden, da sie für Notlandungen gut nutzbar ist (z. B. hier: <https://metar-taf.com/de/airport/BMKA-marrak-point>). In Die Aufräumarbeiten wurden von Grönland und Dänemark bezahlt. Der Ort wirkt aufgeräumt, wir finden nur noch wenige Überreste wie verrostete Fässer und Holz.

Bei unserem Landgang finden wir Fußspuren. Offensichtlich sind wir an einer auch von anderen genutzten Stelle angelandet. Später entdecken wir ein noch recht frische Rentiergeweih und zwei abgetrennte Beine. Offensichtlich war ein Jäger hier. Von den Grönländern wissen wir, dass jetzt Jagdsaison ist und dass es im Hinterland viele Rentiere gibt. Wir als Touristen sehen meist keines davon, vor uns sind sie sicher.

Zurück an Bord wird der Anker gelichtet und wir fahren weiter. Heute und auch morgen ist es verregnet, kühl, unwirtlich. Vorbei an auch bei Nieselwetter wunderschönen Eisbergen geht es weiter gen Süden.

Die verlassenden Siedlungen Grönlands

Wenn man sich langsam entlang der Fjorde Grönlands schlängelt, entdeckt man immer wieder Siedlungen, welche scheinbar unnachvollziehbar und spontan verlassen wurden. Teilweise handelt es sich um nur sehr wenige eingestürzte und überwachsende Häuserreste. Manchmal um stabile Bauten inklusive großer Überreste der Innenausstattung, die unter anderem noch als Sommerhäuser genutzt werden. So lassen sich Öfen, Betten, Schränke und Tische finden, welche noch immer einen mehr oder weniger verlässlichen Eindruck hinterlassen.

Um den Hintergrund dieser verlassenden Siedlungen nachvollziehen zu können, muss man einen Blick in die Zeit des europäischen Kolonialismus werfen. 

Im 16. und 17. Jahrhundert beschränkten sich die Handelspartner der Inuit noch auf wenige europäische Händler. Im Jahr 1721 erreichte dann der vom Dänisch-Norwegischen König gesandte Missionar Hans Egede die West Küste Grönlands, wo er sein Lager (die heutige Hauptstadt Nuuk) errichtete und die Zeit Grönlands als Kolonie einläutete. Auch heute ist er noch bei vielen jungen Einheimischen bekannt, da seine Ankunft den Startpunkt einer Verarmung und Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung markiert. Das Handelsmonopol erlangte Dänemark schließlich mit der Gründung des Royal Greenland Trading Departments 1774. Und ab 1814 wurde Grönland formal zur dänischen Kolonie. Dabei bedienten sie sich der begehrten Waren, wie Felle und Elfenbein, missionierten die Bevölkerung und brachten Krankheiten und Alkohol. 

Die Machtverhältnisse änderten sich erst wieder im Zweiten Weltkrieg, als Dänemark 1940 von Deutschland besetzt wurde und die USA die „Versorgung“ Grönlands übernahmen. Dafür bauten diese Militärflughäfen und bereicherten sich am, für die Aluminiumproduktion wichtigen, Kryolith-Vorkommen Grönlands. Erst nach Ende des Krieges übernahm Dänemark wieder die Machtposition, gab ihre passive Regierungsweise aber schließlich unter dem Druck der UNO auf. Mit dem neuen dänischen Grundgesetz, welches 1953 verabschiedet wurde, galt Grönland nun nicht mehr als Kolonie, sondern als Teil des dänischen Staates mit Abgeordneten im Parlament. 

Dänemark befand sich nun in der Pflicht die Lebensverhältnisse anzupassen, wofür schließlich der Entwicklungsplan G-60 erlassen wurde. Der Bau neuer Schulen, Krankenhäuser und Häfen begann. Eine besonders große Veränderung durchlief dabei vor allem die Fischindustrie. 

Was auf den ersten Blick wie ein einziger Gewinn für Grönland wirkt, brachte auf der anderen Seite viele negative Effekte mit sich. Das durch Wetter und Jahreszeiten bestimmte Leben der Inuit wurde nun für viele durch einen von der Stechuhr geregelten Arbeitstag in der Fischfabrik ersetzt. Die Folgen der sich schnell änderten Lebensbedingungen der Inuit waren eine Vielzahl sozialer Probleme, wie zunehmender Alkoholismus, Gewalt sowie ein Anstieg der Selbstmordrate.

Die neuen Fischfabriken gab es oft nur in den größeren Orten, sodass immer mehr Menschen die kleineren Siedlungen verließen, um Arbeit in dem sich wechselnden System zu finden. Kleinere Siedlungen wurden auch aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben und verödeten schnell. Noch im 20 Jahrhundert schmückten rund 200 Siedlungen die Fjorde Grönlands. Heute beschränkt sich diese Zahl auf 80. 

Auf unserer Reise sahen wir beide Richtungen, in welche sich diese Veränderung bemerkbar macht. So trafen wir auf sehr kleine Siedlungen wie Kangerluq am Diskofjord, welche nur noch zwölf Einwohner zählten und wir uns fragten, wann auch dieser Ort endgültig verlassen sein wird. Auf der anderen Seite überraschte uns Søndre Upernavik. Auf unserem Rundgang machte der Ort einen lebhaften Eindruck auf uns und wir kamen mit den Einwohnern ins Gespräch. Einer der Dorflehrer erzählte uns, dass an der Dorfschule 40 Schüler und Schülerinnen von sieben Lehrern unterrichtet werden, was bei 200 Einwohnern eine beachtliche Zahl darstellt. 

Doch bei einem Blick auf die rasant wachsende Hauptstadt Nuuk, rund 1000 Menschen ziehen hier jedes Jahr dazu, können wir uns vorstellen, dass auch in Zukunft noch viele weitere Siedlungen von ihren Einwohnern verlassen werden. 

Text: Nico

Søndre Upernavik
Nuuk Bauaktivitäten

Wanderungen

Segeln ist toll. Eigentlich. In den hohen Breiten gibt es jedoch nicht immer Gelegenheit dazu. Flaute, Eis und unsichere Wassertiefen sind oft der Grund dafür, dass wir durch die großartige arktische Landschaft motoren und faul im Cockpit rumlungern, lesen oder schlafen. Oder wir (zumindest Graham und ich) klettern in Gedanken an steilen Felswänden hoch und machen Erstbesteigungen der unzähligen Gipfel. Um nicht ganz einzurosten und zu versteifen, unternehmen wir kleinere und größere Wanderungen. Üblicherweise besteige ich gerne den Hausberg einer Ankerbucht. Das geht hier nicht immer, da die Hausberge oft viel zu steil und hoch sind. In diesem Beitrag nehme ich auf drei ganz unterschiedliche Wanderungen mit:

Vom Inlandeis nach Kangerlussuaq
Den Transfer zum Point 660 (auf dem Ice Shield) habe ich schon von Berlin aus gebucht. Ein gelbes 4WD „Taxi“ bringt uns über die Schotterpiste an die Eiskante. Die Fahrt dauert rund 2 Std für 37,5 km, der Fahrer (ein junger Färinger) erzählt uns ein bisschen was über die Gegend und zeigt uns ein Flugzeugwrack. Es regnet in Strömen, nicht gerade ideal für unsere geplante Tour aber nicht zu ändern. Wir wandern und rutschen staunend über den grauen Ausläufer des Inlandeises. Wir besteigen einen Hügel und essen zum Mittag ein Snickers. Dann schultern wir die Rucksäcke und ziehen los. Am ersten Tag haben wir nach nur 6,8 km unser Tagesziel erreicht und nutzen eine Regenpause, um die Zelte aufzubauen. Nico und ich ziehen nochmal los, queren einige Bäche und besteigen Hügel mit toller Aussicht auf die Landschaft und die Eiskante. Zum Abendessen gibt es Expeditionsnahrung von LYO (echt lecker!).

Am 2. Tag regnet es kaum noch, wir sehen Rentiere und besuchen den Russel Gletscher. Bisher sind wir auf der Schotterpiste oder in der Nähe verlaufenden Pfaden gewandert. Nun wählen wir eine Route um den See Aajuisup Tasia herum. Am Abend dauert es etwas, bis wir einen halbwegs geeigneten Platz gefunden haben, um die Zelte aufzustellen. Entweder ist es zu nass, zu steil oder zu bewachsen. Bäume (Polarweise) und Krautzeug sind zwar nicht hoch, aber widerspenstig. Am Berghang ziehen Moschusochsen vorbei.
Am 3. Und 4. Tag wandern wir größtenteils entlang der eingezeichneten Routen aber ohne Wege und Pfade über die Weiten der arktischen Tundra und einige Berge. Die Anstiege sind teils super steil, später können wir lange auf dem Bergrücken auf und ab Wandern und die tolle Aussicht genießen. Meist scheint die Sonne, oft können wir im T-Shirt laufen. Die Tagesetappen sind 17,9 / 18,5 / 11,9 km lang. Insgesamt legen wir rund 55 km in 3,5 Tage zurück. Als Verpflegung hatten wir Suppen, Trockenfrüchte und Hauptgerichte von LYO sowie Müsli, Snickers, Nussmischungen, Kaffee und Tee dabei. Bäche mit Schmelzwasser gab es unterwegs immer genug. Das Essen hat gereicht, war aber knapp. Zurück im Hostel kochen Yannick und Nico eine Riesenportion Nudeln mit Tomaten-Paprika-Soße, die uns alle gut sättigt und die verlorenen Kalorien auffüllt. Dazu gibt es etwas Bier, zischt und schmeckt köstlich.


Sanderson‘s Hope
„Sanderson his Hope of a North-West Passage“ ist ein 1042 m hoher Berg, der 1587 von John Davis gesichtet und beschrieben wurde. Die Einheimischen nennen ihn Kaersorsuak. Die Erstbesteigung fand 1934 statt. In unserem Revierführer steht ganz lapidar „Temporary anchorage (…) giving access to a walking ascent of Sanderson’s Hope from the N side“. Da wir zum einen keine Kletterausrüstung dabeihaben und zum anderen alle gar nicht in der Lage wären die steile Wand hoch zu klettern, freuen wir uns auf eine hoffentlich entspannte Wanderung auf den imposanten Berggipfel (1042 m hoch). Wir erkunden den beschriebenen Ankerplatz an einer Bachmündung, ankern in einer geschützten Bucht an der Insel gegenüber und brechen am nächsten Tag halbwegs früh auf.

Graham meldet sich morgens krank, Yannick bleibt lieber mit Uli an Bord also sind wir noch zu dritt. Nico, Jörg und ich packen einen Rucksack mit reichlich Verpflegung voll, nehmen Signalmunition und UKW-Funke mit und lassen uns von Yannick am Ufer absetzen. Zum Einstieg gibt es eine kleine Kletterei, dann können wir die erste Bergkuppe über einen bewachsenem Rücken gut erreichen. Danach geht es über Geröll und Blocksteine entweder steil hinauf oder am Hang entlang. Zwei noch vereiste Bergseen kommen nacheinander in Sicht.

Wir kommen nur langsam voran, oft auf allen Vieren und blicken skeptisch nach vorne. Leider bestätigen sich die Befürchtungen. Die nächste Schneise können wir nicht überwinden, alles viel zu steil. Auf der anderen Seite sieht es zwar besser aus, aber da kommen wir ohne Ausrüstung nicht sicher hin. Sanderson‘s Hope fällt damit aus. Der benachbarte Berg auf dem wir stehen ist zwar nur knapp 500 m hoch, aber die Aussicht ist trotzdem toll. Im Norden die See, mit einzelnen Eisbergen. Im Süden ein Tal mit Seen und dahinter wieder Fjorde und Sunde. Zurück nehmen wir eine etwas andere Route. Trotzdem ist der Abstieg anstrengend. Das steinige Gelände beansprucht die Knie und verlangt ständige Konzentration. Später können wir auf die kleine ANUK hinabschauen. Um halb 4 sind wir zurück an Bord. Ich nehme ein Bad im hier doch recht kühlen Meer und trockne in der warmen Sonne. Danach motoren wir eine Insel weiter in die Bucht Torssuit auf Atiligssuaq.


Abendspaziergang
Gleich am nächsten Tag brechen Yannick, Nico und ich nach dem Abendessen zu einem (wie wir denken) kurzen Abendspaziergang auf. Wir ankern in einer sehr gut geschützten Bucht am Ende des Fjords Taserssuatsiaq. Ziel ist ein Bergkamm hinter unser Ankerbucht, von dem aus wir uns das Inlandeis aus der Ferne ansehen wollen. Die Landschaft am Ufer überrascht uns. Eine seltsame Mischung aus unnatürlich wirkenden Hügeln (sehen aus Abraumhalden), Blumenwiesen, tiefen Bachtälern und Mooswiesen mit dicken Blocksteinen. Auf den Mooswiesen läuft es sich ganz gut, aber wir kommen unserem Ziel kaum näher. Immer wenn wir eine Kuppe erreicht haben, geht es danach noch weiter hoch. Das nimmt kein Ende, folglich können wir den Kamm nicht erreichen. Wir geben auf und kehren um, ohne das Inlandeis gesehen zu haben. Das ist sehr frustrierend. Die Sicht ist unglaublich gut, so dass sich die Entfernungen nicht einschätzen lassen. Vom Schiff aus sah der Hausberg ganz nah aus, an Land dann liegt er in unerreichbarer Ferne (zumindest wenn wir ihn mit einem Abendspaziergang erreichen wollen).

Text: Astrid + Thomas (Wanderung 1)

Ankunft in Upernavik

Nach 2 Tagen mit etwas trüben Wetter freuen wir uns heute wieder über blauen Himmel, Sonnenschein und angenehme Temperaturen.

In der letzten Ankerbucht gab es wieder einen wundervollen Rundumblick. Gut ist, dass andere die Ankerbuchten erkundet haben und der Revierführer gute Beschreibungen enthält. Wir arbeiten uns mit langsamer Fahrt vorbei an Unterwassersteinen bis zum hinteren Teil, der letzten von 3 Buchten vor.
An Land gibt es wieder Angelhütten. Eine ist ziemlich zerfallen und zugemüllt, die andere noch leidlich in Ordnung. Landgangcrew Nr. 1 besteigt den Berg vor ANUK und lässt Felsblöcke wie ein Troll den Berg hinab kullern. Dass andere getroffen werden ist ausgeschlossen, da wir wirklich alleine sind, so wie bisher in allen Ankerbuchten. Mein Abendspaziergang geht hoch hinaus auf den Hausberg am Heck der ANUK. Das Erklimmen der Berge als Ersatz für Drohnenflüge macht Spaß und hält fit. Der Blick von oben belohnt!

Südseite
Nordseite

Wir feiern Olafs Geburtstag nachträglich, denn er hat uns dann doch verraten, dass er gestern seinen 59. Geburtstag hatte. Uli backt einen Schokoladenkuchen und dann gleich noch zwei Brote. Danach gibt es noch eine Runde Doppelkopf mit einem Kamikaze Sieg von Yann-Nico zum Abschluss. Die neu in das Spiel Eingeweihten blicken so langsam durch, werden mutiger und sind im Doppelpack ein ernst zu nehmender Gegner.

Heute früh sind wir kurz nach acht gestartet. Anker auf bei Nieselregen. Heißer Kaffeewärmt die klammen Finger, später gibt es Frühstück mit selbstgebackenem Brot von Uli. Dann klart der Tag auf und entwickelt sich prächtig. Wir machen einen kleinen Umweg am Vogelfelsen „Agparssuit“ an der Südseite von Qaersorssuaq vorbei. Der Felsen ist beeindruckend, die steil aufragenden Felsen sind überall wo dies möglich ist mit Dickschnabellummen und Eissturmvögeln besetzt.

Unser Tagesziel, eine Ankerbucht gegenüber von Upernavik, erreichen wir gegen 17 Uhr. Der Anker fällt bei rund 10 m Wassertiefe, der Grund ist noch so eben zu sehen. Achteraus mit etwas Abstand liegt ein dicker Stein unter der Wasseroberfläche. Ich schicke Yannick und Nico mit dem Dinghy los, um unsere Schwojkreis auszuloten und zu angeln. Bisher hatten wir kein Glück, aber diesmal klappt es auf Anhieb. Nach wenigen Minuten wird der erste Dorsch angelandet. Die beiden kündigen an, dass sie noch einen zweiten holen und erledigen dies auch sofort. Dorsch Nr. 2 ist noch dicker, beiden zusammen reichen für‘s Abendessen.

Während ich hier schreibe, gibt es erst als Vorspeise Poisson Cru (roher Fisch mit Kokos, Limette und Zwiebel, diesmal ohne Knoblauch) und der Fisch wird gleich gebraten. Für Thomas und Olaf ist es heute der letzte Abend an Bord. Zum Abschluss springt Olaf ins Wasser, immerhin 3,5°C, und trinkt dort sein Ankerbier.

Text: Astrid

Endlich wieder Grönland – der erste Eisberg

Seit sechs Tagen sind wir unterwegs. Das Warten hat sich gelohnt, wir haben gute Wetterbedingungen. Die erste Nacht war die kälteste mit 2° C. Ansonsten viel Sonne, selten Regen. Das Thermometer im Doghouse zeigt bis zu 14° C an.
Eine Nacht mit Südwind 7 Bft. laufen wir bequem unter Fock. 
Immer wieder sehen wir Wale und Delfine. 
Heute ist es wieder sonnig mit guter Sicht. ANUK gleitet mit raumen Wind unter Genua dahin. 
Und Bernd sichtet am Horizont den ersten Eisberg der Saison. Weit weg aber zu erkennen.

Morgen werden wir vor der Küste mit mehr Eis rechnen müssen. Leider ist Nebel angesagt. Immerhin wird es nachts nicht mehr richtig dunkel.  
Ansonsten hat sich das Bordleben und Rhythmus eingespielt in der dreier Crew. 
Wir freuen uns über die entspannte Fahrt unter guten Bedingungen und hoffen es bleibt die letzten 1,5 Tage weiter so. 

Text: ULI

Golfstrom – zum Zweiten

Montag sind wir morgens nach dem Ausklarieren zu Zweit gestartet. Für Corinna wird es zeitlich zu knapp. Sie fliegt nach Deutschland zurück.
Pünktlich zum Ablegen hört es auf zu regnen und die Sonne scheint. Wir freuen uns noch einmal über das türkis blaue Wasser zu gleiten.

Heute ist Tag vier. Die nächste Nacht wird spannend werden. Ein neues Tief zieht von Cap Hatteras nach E bzw. NE und bringt viel Wind mit. Wir sind seit dem Start am Wetterberichte verfolgen und am Überlegen auf welcher Route wir am wenigsten abbekommen.
Till und ich haben uns für ein Ausweichen Richtung Norden entschieden. Und wir versuchen so schnell wie möglich zu sein. Die letzten 1,5 Tage motoren wir viel, es ist schwachwindig. Zum Glück waren die letzten Nächte sehr ruhig, so konnten wir ausreichend schlafen. Der blutige Vollmund bot dabei ausreichend Licht in der Nacht und ein zusätzlich schönes Bild. 

Was für ein Kontrast: Schwacher Wind, Temperaturen von 25° C. In der nächsten Nacht wird der Wind innerhalb weniger Stunden auf 30-35 kn zunehmen (hoffentlich nicht noch mehr) und die Temperaturen werden auf unter 10° C fallen. Dazu natürlich ordentlich Regen. Fühlt sich so an als wenn man von Sommer direkt auf Winter wechselt.

Bei mir kommen Erinnerungen an April 2005 hoch. Meine erste Golfstrom Erfahrung mit Astrid zusammen. Wir waren damals auf den Bahamas gestartet und hatten es nicht rechtzeitig vor dem nächsten Tief geschafft, dass sich an Cap Hatteras gebildet hatte. Damals haben wir auf der LUNA außerhalb des Golfstroms bei bis zu 9 Bft draußen gewartet und sind erst nach demüTief durch den Golfstrom. 7 m Wellenhöhe mit Wind gegen Strom war uns zu riskant.

Auf ähnliche Bedingungen stoßen Till und ich jetzt auch.  Auf direktem Kurs drohen in Böen bis zu 50 kn Wind aus Nord, also wieder Wind gegen Strom Bedingungen. Darauf verzichte ich gerne  wieder, auch wenn er Golfstrom hier etwas schwächer ist. Diesmal klappt es hoffentlich wieder das Schlimmste zu umfahren. Auch wenn wir wenig elegant unter Segel und Motor unterwegs sind. 

Im Moment sind wir im Golfstrom: Wassertemperatur auf 24° C gestiegen, wechselnde Strömung, zurzeit reduziert der Strom unsere Fahrt um über einen Knoten.
Morgen Abend ist das Spektakel hoffentlich vorbei.

Text: Uli

Alltag auf See

Wir sind jetzt seit neun Tagen unterwegs. Gestern irgendwann haben wir die halbe Strecke geschafft, gut 1200 nm.
Langweilig ist es uns bisher nicht. Nur kurz beschlich Helga ein Anflug von Langeweile. Das hatte sich aber schnell erledigt, nachdem sie Werkzeug putzen und pflegen durfte. Vermutlich wird es auch nicht wieder vorkommen.

Captain ULI vertreibt sich die Zeit mit Klopumpe (jetzt ist sie wieder dicht und es steht kein Wasser mehr in der Schüssel). Der Petroleum-Herd ist auch immer gut zum Zeit vertreiben.
Nach zwei Jahren Nutzung war das Fahrradventil am Tank zum Aufpumpen des Drucks abgebrochen. Ersatz ist an Bord, also theoretisch kein Problem. Leider verliert der Tank zügig den Druck, das Abendessen wird mit Dauerpumpen gekocht. Heute früh mit Tageslicht versucht ULI es weiter. Den Fehler findet sie dann immerhin. Das Ventil sitzt korrekt und ist dicht. Nur schließt es nicht, sobald der Pumpenschlauch angeschlossen ist. Warum auch immer. Jetzt muss halt einer immer den Schlauch halten und ein Zweiter pumpen. 
Zur Belohnung gibt es frischen Kaffee und Porridge.

Wir freuen uns auch über Regenschauer, die ihren Namen verdienen. ANUK wird etwas vom Saharasand befreit. Braune Brühe verschwindet in der See. Bis das Rigg sauber ist, braucht es aber noch deutlich mehr Nass von oben. Noch immer ist es 28° C warm.

Und jetzt warten wir auf Wind und Till freut sich auf hohe Wellen. Vielleicht gibt es heute Abend endlich selbst gefangenen Fisch.

Text: alle