Geburtstag im Eis

Mit dem Crewwechsel befinden sich jetzt an Bord: Uli, Astrid, Graham, Ecki, Uschi, Frank und Annette. ANUK liegt im herrlichen Sonnenschein in der Bucht vor Ittoqqortoormiit inmitten der Eisschollen. Wir wollen in den Scoresby Sound fahren und beobachten die Eiskarten. Noch ist das Eis zu dicht, so dass wir zunächst kleinere Tagesfahrten unternehmen. Die erste Fahrt führt uns nach Amdrup Havn. Wir gleiten langsam durch die Eisschollen, ein riesiges Labyrinth aus wechselnden Farben und Formen. Gerne hätten wir am Ende an einem Wasserfall für die Nacht geankert. An dieser Stelle führt über einen langen Abhang ein Schneefeld in die Bucht, auf dem ein scharfer Wind aufs Wasser surft – kein lauschiger Platz für die Nacht. Wir schlängeln uns zurück nach Ittoqqortoormiit. Am Abend bekommen wir Besuch von Magda und unserer neuen Inuit-Freundin, die wir auf der Volksfest-Eisscholle kennengelernt haben. Sie ist 23 Jahre alt und erzählt uns über ihr Leben in dem kleinen Ort. Sie hat die Oberschule in Westgrönland besucht und ist vor einem halben Jahr zurück nach Ittoqqortoormiit gekommen. Hier lebt sie mit ihrem Vater und ihrem kleinen Bruder und arbeitet aushilfsweise im Kindergarten. Sie kann sich schlecht an die alte Lebensweise anpassen, weiß aber auch nicht, wie sie heraus kommt. Während sie hier sitzt, erzählt sie uns traditionelle Geistergeschichten, die immer von einem Mann handeln, der in Seehundfell gekleidet aus den Bergen in die Dörfer kommt und Kinder stehlen möchte. Er hat einen bestimmten Geruch, an dem er immer wieder erkannt wird. 

Auch der nächste Tag empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein. Zwar ist der Sund noch nicht frei, aber erneut suchen wir unseren Weg durch das Eis. Heute stehen auch Graham, Frank und Uschi am Steuer. In aller Ruhe können wir von den unendlich vielen Eisschollen ebenso viele Fotos schießen.

Am Kap Tobin befindet sich eine verlassene Siedlung, dort soll auch eine heiße Quelle sein. Dies Vorfreude auf ein gepflegtes Bad im Hot Pot hatte uns Paul schon genommen: Er war auf geführter Kajaktour dort und stellte fest, dass die Einheimischen Eisbärschädel in der heißen Quelle abkochen. Sein Foto war so eindeutig, dass wir keinen Bikini mitnahmen.

Graham, Astrid, Frank und Annette machten sich dann gut bewaffnet auf den Weg. Vor den meisten Häusern, die teilweise noch als Jagdhütten genutzt werden hängen Eisbärfelle zum Trocknen. Wir gehen mit einem Kribbeln im Nacken bis zur Spitze der Halbinsel und kommen sicher zurück. Als wir zunächst das Beiboot nicht finden zeigt sich Grahams britischer Humor: Where is the dinghy? THE POLARS ARE USING IT FOR A PICNIC!! WE HAVE GOT THEM.

Noch immer bleibt die Eiskarte für den Sund weiß. Dann wird gewandert. Das Expeditionsteam Frank, Graham, Astrid, Uschi und Annette starten gut ausgestattet in die Berge. Wege gibt es nicht, wir finden aber zwischen den Felsen und Schneefeldern farbige Markierungen, die angepeilt werden können. Es ist erstaunlich, wieviele kleine hübsche Blüten sich zwischen den Steinen eingebettet entfalten. Von den schönsten Felsen aus starten wir die Drohne und machen ein paar Gruppenselfies.

Am Abend lädt Paul zum Lachsessen ein, den er mit seinem Guide gefangen hat. Für acht Leute war der Fisch zwar nicht ausreichend, aber viele Abenteuergeschichten füllten den Tisch reichhaltig. Noch in der Nacht mußte Paul dann zur Polizei! Der örtliche Polizist möchte nächstes Jahr mit seiner Frau nach Neuseeland reisen und brauchte von dem Neuseeländer noch Reisetipps…

Text: Annette

Frank haben sich am Inlandsflughafen getroffen. Indem wir unser Gepäck zusammen auf die Waage stellten, konnten wir genau die erlaubten 20 kg pro Person einhalten, so dass Ulis Lübecker Marzipan auch den Weg nach Grönland fand. Die 3,5 Stunden flogen wir über den Wolken, doch vor Grönlands Küste brach die Wolkendecke auf und eröffnete uns einen spektakulären Blick in den Scoresbysund. Wir landeten in Nerlerit Inaat. 1985 hatte eine Ölgesellschaft hier den Flughafen Constable Point gebaut. Als sie fünf Jahre später den Platz ohne Erfolg verließ, blieb er in dänischer Verwaltung und wird von Island aus angeflogen. Wir stiegen hier mit mehreren einheimischen Familien aus, die alle mit einem Helikopter nach Ittoqqortoormiit gebracht werden mussten. Der Pilot war ein junger Deutscher, der dort jeweils im 3-Wochen-Rhythmus arbeitet und schon einiges über die Region erzählte. Uschi und Ecki saßen im ersten Flug, dann kamen die grönländischen Familien mit insgesamt neun Kindern. Frank und Annette hatten den letzten Flug und nutzten die Wartezeit in der grönländischen Sonne für Gespräche mit dem Neuseeländer Paul und eine Wanderung mit dem Flughafenchef Morton zum nahegelegenen Fjord. Er gab uns viele Informationen zum Flughafenbetrieb, der lediglich aus ein paar Containern und Hütten besteht, in denen das Personal und die Piloten wohnen sowie seinem Leben als Däne in Grönland. Für das lange Warten wurden Annette und Frank mit einem fantastischen Heliflug über den eisbedeckten Sund und die Berge belohnt.

In Ittoqqortoormiit erwartete uns am Heliport Mette, die unser Gepäck mit einem Quad zu ihrem Gästehaus brachte. Wir folgten in einem kurzen Spaziergang zusammen mit Paul, vorbei am obligatorischen Kunstrasen-Fußballfeld, den ersten aufgehängten Eisbär- und Moschusochsenfellen zu dem gelben Gasthaus. Hier hatten Uschi und Ecki schon gekocht und es folgte ein geselliger Abend mit Paul, der zum Kajakfahren hergekommen ist. Ungewiß blieb, wann wohl ANUK ankommt.

Am nächsten Tag gingen wir wieder bei strahlendem Sonnenschein zu Mettes Touristenbüro. Sie hält hier die Organisation der touristischen Aktivitäten zusammen. Vorab hatte Uli bereits zwei Waffen bestellt. Ohne diese können wir den Ort nicht verlassen. Da das bisher nicht unser Thema war, erhielten Frank und Annette eine Einweisung von einem Jäger. Es gesellten sich gleich drei Kinder zu uns, die mit ihm verwandt waren und so spazierten mit Uschi insgesamt zu siebt zur Walrossbucht, einem sehr langen Sandstrand mit türkisem Wasser. Die Kinder warfen sofort Schuhe und Strümpfe in den Sand und wateten ins Wasser. Als Frank es ihnen gleichtat schmerzten ihn bei 1 Grad Wassertemperatur sofort die Füße. Wir erhielten eine Einführung in die Waffe und machten dann erste Aufnahmen mit der Drohne. Die Eisberge sind so schön! Ob wohl die ANUK schon welche gefunden hat?

Den nächsten Tag wollten Uschi und Ecki mit ein wenig einkaufen und dem Blick aus dem Fenster auf die Bucht genießen. Frank und Annette hatten sich Kajaks gemietet und haben eine lange Tour gemacht. Auch hier mussten sie ein Gewehr mitnehmen, da Walrösser für Kajaks sehr gefährlich werden können, insbesondere wenn sie in Paarungsstimmung sind. Außerdem sollten wir für den Fall, dass wir Narwale sehen sofort an Land paddeln. Denn diese würden gejagt und in diesem Jahr seien noch keine gesichtet worden. Wenn sich die ersten Tiere zeigen würden, dann würde die Jagd für uns Kanuten sehr gefährlich sein. Arme Einhörner…

Mit diesem Wissen fuhren wir die Küste entlang, vorbei an Eisschollen und Wasserfällen. Außer Wasservögeln haben wir keine Tiere gesehen, trotz Landpicknick und ausgelegter Angel. Abends erzählte uns Paul, dass ganz in der Nähe ein Eisbär geschossen worden sei.

Am Abend tauchte auf dem Schifffahrtsradar ein einsamer lila Pfeil auf. Konnten dass unsere wackeren Segelschwestern sein? Die ganze Nacht über bewegte sich der Pfeil langsam und in Schlängeln voran. Am Morgen dann bog er auf der Karte in den Sund ein. Ab da schauten wir mit dem Fernglas in den Morgennebel. Und als die Sonne diesen langsam anhob rief Uschi die erlösenden Worte: Ein Schiff! Tatsächlich hatte sich ANUK als erstes Schiff dieses Jahr in den Scoresbysund durchgeschlagen – diese Teufelsweiber! Das gab ein ordentliches Hallo und wir machten zu sechst einen langen Abendspaziergang in die Wallrossbucht. Für den nächsten Tag wurde der Crewwechsel vereinbart.

Ulis Geburtstag!

Ulis erstes Geburtstagsgeschenk war ihre 05.00-06.00 Uhrwache, die ihr abgenommen wurde. So konnte sie gut ausgeschlafen ein reichhaltiges Geburtstagsfrühstück genießen. Auch der Gabentisch war großzügig gedeckt mit Geschenken, die schon in der Heimat den Weg an Bord fanden. Sie hat in den nächsten Wochen ausreichend Lesestoff und kann Karten spielen und dabei Whisky trinken. Ihre Crew hat für sie in Ittoqqortoormiit wunderbar weiche und warme Seehundfellhandschuhe gekauft. Aber heute wurden sie nicht gebraucht. Die Sonne schien wie an der Adria und tatsächlich zeigte sich eine kleine Sonnenröte auf dem Gesicht des Geburtstagskindes. Wir blieben heute faul in der Bucht, den hier gab es ganz großes Kino. Zunächst haben jetzt weitere vier Segeljachten den Weg nach Grönland geschafft. Mit allen Franzosen, Polen, Holländern, Briten … wurde vom Dinghi aus ein kleiner Schwatz gehalten und nochmal festgehalten: Uli und Astrid waren die Ersten! Und zum Schluß erschien zwischen den Eisschollen – ein Kreuzfahrtschiff! Kaum war dem Anker am fallen, spuckte das Schiff Mengen von roten Menschlein aus, die den Ort wie überrannten. Es sah lustig aus vom Deck der ANUK, als sich die roten Punkte wie in einem Computerspiel über Ittoqqortoormiit verteilten und nach drei Stunden wieder am Ausgangspunkt sammelten. Wir hatten mittlerweile neue Eiskarten und den Plan gefasst, am nächsten Tag in den Sund zu starten. Daher mussten auch Uli und Annette noch schnell in den Ort, um kurz vor fünf Bier und Wein aus dem einzigen Geschäft zu bunkern. Beim folgenden Spaziergang wurden wir sehr erstaunt: Mette hatte vor Nanu-Travel ein Zelt aufbauen lassen und einen alten Inuit mit einer Eisbärfellhose und -Handschuhen postiert. Das war der Magnet für ihren Shop und die meisten roten Punkte machten dort einen Stop. Außerdem wurde die Kirche geöffnet, was wir zuvor nicht einmal am letzten Sonntag beobachten konnten!

Am Pier trafen wir Jens, der zwar erst zur nächsten Crew gehört, aber bereits am Captainsdinner mit Lammkeule, Rotkohl, köstlichster Sauce und Kartoffeln teilnehmen durfte.

Nun ist die Bucht voller Boote und es wird Zeit, sich auf den Weg zu machen. Wir fahren zusammen mit der Tilvera, auf der Astrids alter Freund Heinz mit seiner Familie eine Abschiedsfahrt durch die Arktis macht. 

Text: Annette

In Ittoqqortoormiit

Am 20.07.2023 ist parallel zur ANUK die künftige Crew in Reykjavik gestartet. Ecki, Uschi, Annette und Frank haben sich am Inlandsflughafen getroffen. Indem wir unser Gepäck zusammen auf die Waage stellten, konnten wir genau die erlaubten 20 kg pro Person einhalten, so dass Ulis Lübecker Marzipan auch den Weg nach Grönland fand. Die 3,5 Stunden flogen wir über den Wolken, doch vor Grönlands Küste brach die Wolkendecke auf und eröffnete uns einen spektakulären Blick in den Scoresbysund. Wir landeten in Nerlerit Inaat. 1985 hatte eine Ölgesellschaft hier den Flughafen Constable Point gebaut. Als sie fünf Jahre später den Platz ohne Erfolg verließ, blieb er in dänischer Verwaltung und wird von Island aus angeflogen. Wir stiegen hier mit mehreren einheimischen Familien aus, die alle mit einem Helikopter nach Ittoqqortoormiit gebracht werden mussten. Der Pilot war ein junger Deutscher, der dort jeweils im 3-Wochen-Rhythmus arbeitet und schon einiges über die Region erzählte. Uschi und Ecki saßen im ersten Flug, dann kamen die grönländischen Familien mit insgesamt neun Kindern. Frank und Annette hatten den letzten Flug und nutzten die Wartezeit in der grönländischen Sonne für Gespräche mit dem Neuseeländer Paul und eine Wanderung mit dem Flughafenchef Morton zum nahegelegenen Fjord. Er gab uns viele Informationen zum Flughafenbetrieb, der lediglich aus ein paar Containern und Hütten besteht, in denen das Personal und die Piloten wohnen sowie seinem Leben als Däne in Grönland. Für das lange Warten wurden Annette und Frank mit einem fantastischen Heliflug über den eisbedeckten Sund und die Berge belohnt.

In Ittoqqortoormiit erwartete uns am Heliport Mette, die unser Gepäck mit einem Quad zu ihrem Gästehaus brachte. Wir folgten in einem kurzen Spaziergang zusammen mit Paul, vorbei am obligatorischen Kunstrasen-Fußballfeld, den ersten aufgehängten Eisbär- und Moschusochsenfellen zu dem gelben Gasthaus. Hier hatten Uschi und Ecki schon gekocht und es folgte ein geselliger Abend mit Paul, der zum Kajakfahren hergekommen ist. Ungewiß blieb, wann wohl ANUK ankommt.

Am nächsten Tag gingen wir wieder bei strahlendem Sonnenschein zu Mettes Touristenbüro. Sie hält hier die Organisation der touristischen Aktivitäten zusammen. Vorab hatte Uli bereits zwei Waffen bestellt. Ohne diese können wir den Ort nicht verlassen. Da das bisher nicht unser Thema war, erhielten Frank und Annette eine Einweisung von einem Jäger. Es gesellten sich gleich drei Kinder zu uns, die mit ihm verwandt waren und so spazierten mit Uschi insgesamt zu siebt zur Walrossbucht, einem sehr langen Sandstrand mit türkisem Wasser. Die Kinder warfen sofort Schuhe und Strümpfe in den Sand und wateten ins Wasser. Als Frank es ihnen gleichtat schmerzten ihn bei 1 Grad Wassertemperatur sofort die Füße. Wir erhielten eine Einführung in die Waffe und machten dann erste Aufnahmen mit der Drohne. Die Eisberge sind so schön! Ob wohl die ANUK schon welche gefunden hat?

Den nächsten Tag wollten Uschi und Ecki mit ein wenig einkaufen und dem Blick aus dem Fenster auf die Bucht genießen. Frank und Annette hatten sich Kajaks gemietet und haben eine lange Tour gemacht. Auch hier mussten sie ein Gewehr mitnehmen, da Walrösser für Kajaks sehr gefährlich werden können, insbesondere wenn sie in Paarungsstimmung sind. Außerdem sollten wir für den Fall, dass wir Narwale sehen sofort an Land paddeln. Denn diese würden gejagt und in diesem Jahr seien noch keine gesichtet worden. Wenn sich die ersten Tiere zeigen würden, dann würde die Jagd für uns Kanuten sehr gefährlich sein. Arme Einhörner…

Mit diesem Wissen fuhren wir die Küste entlang, vorbei an Eisschollen und Wasserfällen. Außer Wasservögeln haben wir keine Tiere gesehen, trotz Landpicknick und ausgelegter Angel. Abends erzählte uns Paul, dass ganz in der Nähe ein Eisbär geschossen worden sei.

Am Abend tauchte auf dem Schifffahrtsradar ein einsamer lila Pfeil auf. Konnten dass unsere wackeren Segelschwestern sein? Die ganze Nacht über bewegte sich der Pfeil langsam und in Schlängeln voran. Am Morgen dann bog er auf der Karte in den Sund ein. Ab da schauten wir mit dem Fernglas in den Morgennebel. Und als die Sonne diesen langsam anhob rief Uschi die erlösenden Worte: Ein Schiff! Tatsächlich hatte sich ANUK als erstes Schiff dieses Jahr in den Scoresbysund durchgeschlagen – diese Teufelsweiber! Das gab ein ordentliches Hallo und wir machten zu sechst einen langen Abendspaziergang in die Wallrossbucht. Für den nächsten Tag wurde der Crewwechsel vereinbart.

Text: Annette

Jagd Glück

Eigentlich wollten wir nur ein wenig Drohne fliegen im Abendlicht. Wir fahren mit dem Dinghy an den Strand der Kvalrosbukta. Da die Akkus recht leer sind kehren wir um als die Sonne hinter den Bergen verschwindet. Am Ufer sehen wir einige Menschenansammlungen. Mehrere Motorboote kreisen im Eis. Mit Zeichen gibt man uns zu verstehen, dass wir warten sollen. Es wird also gejagt. Bei der Aufregung muss es Walross oder vielleicht Narwal sein.

Schüsse sind zu hören, soweit wir erkennen können ist die Jagd beendet. Wir fahren zurück zur ANUK. Die liegt jetzt quasi in der ersten Reihe. Auf der größeren Eisscholle vor ihr versammelt sich gefühlt das halbe Dorf. Ein Walross wird längsseits gebunden hereingeschleppt und auf die Eisscholle gezogen. Aus der entgegengesetzten Richtung taucht ein weiteres Motorboot auf. Quer über dem Bug liegt ein Eisbär, am Heck hängt eine Robbe. Anscheinend ein erfolgreicher Tag. Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich. Den Jägern wird gratuliert. Mehrere Männer zerlegen gekonnt die Beute. Es sieht unglaublich geschickt aus. Scharfe Messer gleiten durch Haut, Fell und Fleisch. Das Fell des Eisbären wird in einem Stück abgetrennt, nicht ein Schnitt beschädigt das Fell. Annette, Magda und Uli sind mit dem Dinghy zur Scholle gefahren und können sich nicht satt sehen. Magda und Annette filmen und fotografieren.

Zurück an Bord wirkt das Erlebnis nach.  

Text: Uli

Bibbern

Am Nachmittag kommt Graham an Bord. Statt wie geplant nach Ittoqqortoomiit zu fliegen, steigt er schon hier zu, um uns auf der Überfahrt zu begleiten. Graham haben wir 2018 in Südgrönland kennengelernt. Sein Motto Seven Summits – Seven Seas. Jetzt noch Two Sisters, von den Seven Sisters hatte er noch nicht gehört. Für alle Unwissenden: diese Berge stehen in Norwegen und sind nicht ganz so hoch und nicht ganz so bekannt.

Bei bestem Segelwetter ging es dann los. Frische Brise, Segel gerefft, 7 kn Fahrt Richtung Norden. Auf ins Eis! Plan A war, dass wir durchkommen, am 23. Juli ankommen (also mit 1 Tag Verspätung gegenüber der ursprünglichen Planung) und Eshana und Wolfgang am 24. Juli ihren Flug nach Island erwischen. Plan B kommt zum Tragen, sollte das Packeis zu dicht sein. Wenn wir länger brauchen, besteht die Option die Flüge auf den 27. Juli umzubuchen. Plan C würde bedeuten, dass wir nicht durchkommen, zurück nach Island fahren, Eshana, Wolfgang und auch Magda und Gunther absetzen und unser Glück später nochmal probieren, dann allerdings nur zu dritt. Plan C will niemand.

Nach etwa einem Tag, am Freitag, flaut der Wind wie vorhergesagt ab und wir starten den Motor. Meist fahren wir durch dichten Nebel, ab und zu kommt die Sonne von oben durch. Samstag früh erreichen wir die Eiskante. Sie kündigt sich durch einzelne kleine Eisbrocken im Wasser an, wenige Minuten später sind es große Schollen und Brocken, zu dicht um durchzufahren. Wir navigieren an der Kante entlang gen Norden. Das Radar hilft, da die Sicht wirklich mies ist. Abends versuchen wir auf Höhe Kap Tobin an der Nordseite des Scoresbysundes den Eisgürtel zu durchfahren und brechen nach etwa 3 sm wieder ab. Ohne Satellitenbilder lässt sich nicht einschätzen, wie breit der Eisgürtel ist. Rechtzeitig bevor es zu eng wird das Schiff zu wenden müssen wir umdrehen. Erstmal also wieder raus. Bis Mitternacht arbeiten wir uns an der Eiskante weiter nach Norden vor. Dort vermuten wir, dass das Eisfeld etwas lückiger wird. Wir bibbern vor Kälte und ob der Unsicherheiten. Ob wir überhaupt eine Chance haben durchzukommen, wissen wir nicht. Und der Eisgürtel hier draußen ist ja erst die erste Hürde. Drinnen im Sund kann auch noch alles dicht sein. Zum Wachwechsel kündigt Uli an, dass wir nicht ewig weiter nach Norden fahren können und bald umdrehen müssen. Wir befinden uns bereits rund 15 sm nördlich der Einfahrt in den Sund. Der Nebel lichtet sich. Im Norden leuchtet der Himmel von der nicht untergehenden Sonne. Es klart auf. Nächster Vorstoß. Hinter dem Eis ist tatsächlich offenes Wasser zu erkennen. Also los, rein ins Eis. Uli steuert zügig durch die Lücken. Alles ist in Bewegung, eine leichte Brise und die Strömung schieben das Eis langsam ineinander, durcheinander und weiter. Wir sind fast durch, dann wird es eng. Nur 2-3 Schifflängen trennen uns vom freien Wasser aber vorne ist alles dicht. Wir suchen uns die größte Lücke aus und fahren ganz langsam rein, schieben die Schollen cm für cm zur Seite. Eshana und Wolfgang arbeiten am Bug mit Stange und Bootshaken. Sie schieben einerseits das Eis weg und manövrieren 18 t Schiff in die gewünschte Richtung. Das Eis schabt am Rumpf. Es ist mega spannend. Gut, dass wir ein stabiles Schiff haben! Mal schiebt das Eis das Schiff, mal schiebt ANUK das Eis sanft zur Seite. Irgendwann helfen Wind und Strömung doch, wir kommen frei und sind durch. Offenes Wasser voraus! Grönland, wir kommen!

Ich (Astrid) lege mich schlafen. Die Freiwache ist jetzt kurz und ich brauche etwas, um runter zu kommen und einzuschlafen. Früh um 4 Uhr muss ich wieder raus. Wir haben inzwischen die Einfahrt in den Sund erreicht. Die nahe Küste ist auf dem Radarbild gut erkennbar, dank des dichten Nebels ist sonst leider nichts zu sehen. Pünktlich zum Wachwechsel treffen wir vor Kap Lister wieder auf Eis. Wieder ist es zu dicht, um durchzufahren. Wir weichen nach Süden, dann Südwest aus. Irgendwann wird das Eis voraus immer dichter und wir entschließen uns Richtung Westen weiter in den Sund vorzuarbeiten. Der dichte Nebel macht es schwierig, einen passierbaren Weg zu finden. Erfreulicherweise kommen wir Stück für Stück weiter. Kap Swainson liegt hinter uns. Pünktlich zum Wachwechsel um 8 Uhr werden die Eisschollen nach und nach kleiner. Bei dichten Nebel arbeitet sich jetzt Eshana weiter vor. Radar und Ausguck am Vorschiff helfen, um den Eisbrocken auszuweichen. Um 9:22 Uhr ist es soweit: Land in Sicht! Begeisterter Ausruf von Eshana. Kap Tobin und die verlassene Siedlung Unarteq tauchen vor uns auf, ganz dicht, nur wenig Eis. Riesige Freude und Erleichterung – wir sind durch! So schnell wie der Nebel kommt, so schnell klart es auch auf. Bald haben wir freie Sicht und Sonnenschein. Ein grandioser Sonntagmorgen. Für die nächsten 6 sm bis Ittoqqortoomiit (Scoresbysund) benötigen wir 3 Stunden. Eine schöne Slalomfahrt durchs Treibeis. Im Sonnenlicht ist das Eis wunderschön! Um kurz nach 12 Uhr fällt der Anker dicht vor der Siedlung. Annette, Frank, Ecki und Uschi stehen am Ufer. Sie konnten unseren Zickzack Kurs durchs Eis schon länger verfolgen.

Wir sind in diesem Jahr das erste Schiff. Wir freuen uns riesig über unser Glück und freuen uns auf die Zeit hier!!!

Text: Magda und Astrid

Start ins Ungewisse

Wir studieren permanent Eiskarten und Satellitenbilder. Nachdem es anfangs ganz gut aus sah, hatte sich letzte Woche vor den Eingang zum Scoresbysund wieder dichtes Packeis geschoben. Jetzt wird der Eisgürtel  Stück für Stück wieder schmaler und auch im Sund bricht das Eis langsam auf. Die letzte Eiskarte vom Dänischen Wetterdienst ist 3 Tage alt. Die Satellitenbilder zeigen meist nur Wolken oder Bereiche die uns weniger interessieren. Trotz alledem wollen wir gleich los. Letze Einkäufe sind verstaut, Diesel und Wasser sind vollgetankt, Hafengeld ist bezahlt und ausklariert haben wir auch. Plan ist, dass wir noch die nächste Eiskarte aus Norwegen abwarten und dann starten. Die nächste Crew ist bereits heute in Ittoqqortoormiit gelandet. In 2 Tagen werden wir sehen, ob wir durchkommen oder nicht. Reinhard und Peter werden uns unterwegs mit Eisinfos versorgen. Kleine Ausschnitte der Eiskarten und Satellitenbilder können wir über Iridium-Satellitenmail empfangen. 

Heute, Donnerstag 20. Juli, sitzen wir bei Sonne vorm Fish & Chips beim Mittagessen. Angeblich und tatsächlich der beste Fisch in der Gegend oder auch auf ganz Island. Sehr lecker! Zum Nachtisch gibt es Eis aus dem Supermarkt. Auch sehr lecker.

Fast pünktlich kurz nach drei kommt Graham mit dem Taxi aus Akureyri. Als Teil der nächsten Crew steigt er schon in Island dazu, um uns auf der Überfahrt zu begleiten. Leinen Los um 15:30. Mit einem Reff und gut 6 kn Fahrt segeln wir bei bestem Sonnenschein gen Norden. Drückt uns die Daumen, dass uns das Eis durchlässt! Bis bald….

Text: Astrid

Vom Walmuseum zum Heringsmuseum

Der ungeplante Zwischenstopp auf Island zieht sich hin. Bei Schietwetter war es toll, in Husavik sicher im Hafen zu liegen. Drei Tage Dauerregen, Nebel, Kälte. Wir versüßten uns den Aufenthalt mit lecker Essen gehen, einem phänomenal gelegenen Geothermalbad und einem informativen Walmuseum. Dann war aber auch genug mit Warten. Grönland zeigte uns immer noch die eiskalte Schulter – in Form von 60 km Packeis vor der Ostküste. Daher hieß es, weiter Island erkunden. Bei bestem Segelwetter und einem fantastischen Sonnenuntergang, ach ja, stimmt, hier geht die Sonnen ja auch wieder unter, ging es weiter nach Westen. Ein paar Fjorde weiter gibt’s nämlich das Heringsmuseum. Was? Ja, genau das. Siglufjordör war nämlich einst die Hauptstadt und der Hauptumschlagplatz des Heringfangs. Also nix wie hin da. Und wir wurden nicht enttäuscht: das preisgekrönte Museum ist wirklich zu empfehlen. Bis ins kleinste Detail und sehr authentisch präparierte Boote, Heringsfrauen-Quartiere und Fabrikgebäude, die man allesamt begehen kann: einmal am Tisch unter Deck des Heringsboots aus den 1940ern sitzen, in alle Schapps schauen oder auf der Schreibmaschine des Buchhalters tippen, alles erlaubt. In vielen deutschen Museen wäre das undenkbar. Aber so wird Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes erlebbar. Wir waren jedenfalls begeistert von der kleinen Zeitreise.

Siglufjördur empfing uns übrigens mit allerbestem Sonnenschein und das sollte auch so bleiben, gestern gab es hier sage und schreibe 15 Grad. Einige von uns erkundeten also die umgebenden Täler und Berge. Auch das örtliche, etwas aus den Jahren gekommene Schwimmbad wurde mehrfach ausprobiert. Trotz seines kühlen funktionalen Charmes haben wir das warme Wasser sehr genossen, die fröhlich im 40 Grad heißen Hot-tub planschenden isländischen Babies übrigens auch.

Aber, was soll ich sagen, auch Siglufjördur ist dann irgendwann durch, wenn man eigentlich gar nicht hier sein möchte, sondern 260 am weiter nördlich…

Text: Magda

North Sailing – Scoresbysund

Unser nächstes Ziel ist der Scorsbysund, an der Ostküste Grönlands, nördlich des Polarkreises, das längste Fjordsystem der Welt. Tatsächlich war und ist der Scoresbysund Anlass für den Kauf der ANUK und Höhepunkt dieser Reise. Zur Zeit warten wir noch darauf, dass das Eis weiter aufbricht und die Einfahrt in den Sund frei gibt. Die Vorfreude ist groß!

Wir liegen seit Montag Nacht in Husavik und warten auf „besseres“ Wetter. North Sailing bietet von hier aus Touren zur Walbeobachtung und auch Touren in den Scoresbysund an. Zeitweise werden wir parallel unterwegs sein. Über North Sailing haben wir für einen der Crewwechsel alle Flüge gebucht. Líney hat uns dazu wunderbar beraten und unterstützt. Gleich am ersten Tag haben wir sie besucht und uns über Island, Grönland und den bevorstehenden Törnabschnitt unterhalten. Da es eine kurzfristige Stornierung gab, sind auf einem ihrer Schiffe (Tilvera) vom 16. – 23. August 2023 noch Plätze frei. Eine super Gelegenheit, dieses Traumrevier zu besuchen! Die Tour startet und endet am Flughafen bei Ittoqqortoormiit. Bitte streut diese Info weiter, denn es wäre schade wenn die Kojen leer bleiben (vergünstigte Preise sind möglich).

Tilvera ist die alte Anne-Margaretha, auf der ich bereits zu den Kap Verden, in die Antarktis und durch Patagonien und Chile gesegelt bin. Ein tolles Schiff, schön und sicher.

Wer spontan buchen und mitsegeln will, findet hier die Infos: Link

Kontakt: Líney Gylfadóttir / E-mail: liney@northsailing.is

Houston, wir haben ein Problem

Im letzten Beitrag hat Astrid euch ja schon die hard facts rund um die vom Wetter vereitelte Jan Mayen-Expedition geliefert. Heute lege ich mal nach – mit einem Bericht von unserer Ankunft auf Jan Mayen.

Habt ihr euch schon mal gefragt, wie es ist, auf einem anderen Planeten zu landen? Wir kamen diesem Gefühl auf Jan Mayen ziemlich nahe. Aber lest selbst wie unser Annäherungsversuch ablief: In einer fernen Galaxie, in der Kälte und die Abwesenheit menschlicher Existenz vorherrschen, näherte sich das Raumschiff ANUK nach fünf Tagen einem weitestgehend unbekannten Planeten. Von Nebelschwaden umhüllt und von einer blau schimmernden Flüssigkeit namens Nordmeer umgeben, lag er da und wurde seinem schlechten Ruf als Wetterküche des Teufels mehr als gerecht. Widrige kosmische Fallwinde und hoher Wellengang zwingen die ANUK, den ersten Anflug abzubrechen. Doch die Crew gibt so leicht nicht auf. Commander Uli berechnet die Flugbahn neu, holt in einem großen Bogen Anlauf und nimmt in einem kleinen Zeitfenster, in dem der Wind abflaut, nochmals Kurs auf Jan Mayen. Am frühen Morgen des 8.7.2023 ist es dann so weit: Die Landungskapsel mit vier Janmayonauten, zwei davon in orangenen Kälteschutzanzügen, koppelt sich vom Mutterschiff ab. Nach einem wilden Ritt durch die Brandungszone, schaffen Wolfgang, Eshana, Gunther und Magda es tatsächlich zu landen. Völlig durchnässt betreten sie die unwirtliche, aber faszinierende Welt Jan Mayens. „Nur ein kleiner Schritt für mich. Aber ein großer Schritt für die Menschheit“, hieß es einst bei der Mondlandung.

Ähnlich unberührt wie der Mond liegt auch der weite Strand der Kvalrossbukta vor uns. Schwarzer Sand und braunes Lavagestein zeugen von vergangenen Vulkanausbrüchen. Gigantische Walskelette, die hier vor Jahrhunderten von Walfängern hinterlassen wurden und teilweise bereits von Moos und Flechten bewachsen sind, liegen verstreut in der kargen Bucht. Tote Möwen rotten vor sich hin. Es riecht nach Modder. Ringsum ragen von giftgrünen Moosen bewachsene Hänge auf, über die langsam Nebel kriecht. Der Himmel ist von dunklen Wolken durchzogen. Jan Mayen versprüht eine düstere Atmosphäre.

Die Crew verstreut sich in alle Himmelsrichtungen. Ich bleibe allein am Strand zurück und wandere zwischen unzähligen Treibholzstämmen herum, die hier – so die wissenschaftliche These – aus dem weit entfernen Sibirien angetrieben wurden.

Der Nebel wird immer dichter und beim nächsten Blick aufs Meer ist die ANUK schon fast nicht mehr zu sehen. Ach, wenn wir mal ein Stück rausgefahren sind, werden wir sie bestimmt wieder sehen, denke ich mir und stapfe ein paar Meter über das weiche Moos bergauf. Als ich mich nochmals umdrehe, ist die ANUK komplett verschwunden. Ähm…wo sind die anderen? Nach ein paar bangen Minuten tauchen Eshana und Wolfgang aus dem Nebel auf, kurz darauf Gunther. Nun heißt es, schnellstmöglich zur Landungskapsel zurückkehren, die Kälteschutzanzüge wieder anziehen und das Dinghi startklar machen. Dumm nur, dass beim Anlanden eine Welle ins Boot gebrochen ist. Den Motor können wir so nicht starten. Paddeln ist also angesagt. Inzwischen hat auch der Schwell zugenommen. Auch wenn es verlockend wäre, einfach etwas abzuwarten, bis sich der Nebel verzogen hat – bei der ansteigenden Brandung und der Prognose, dass der Wind in Kürze zunehmen wird, ist allen klar, dass wir schnell sein müssen. Wo ist also der beste Einstiegspunkt? Brechen die Wellen da drüben nicht etwas niedriger? Also los, Dinghi über den Strand schleppen. Nee, hier auch nicht. Da, noch etwas weiter sieht es besser aus. Nach kurzer Zeit wird klar: besser wird’s nicht. Also rein da und so schnell wie möglich durch die Brandungszone durch. Der erste Versuch fällt unserer Unentschlossenheit und Diskutierfreudigkeit, um es freundlich auszudrücken, zum Opfer. Kaum sitzen wir alle im Dinghi, fegt uns eine große Welle mit Schmackes wieder an den Strand. Schnell aussteigen, Dinghi leerschöpfen und einen neuen Versuch starten. Diesmal stapfen wir alle ins bauchtiefe Wasser, beobachten die Wellen und stürzen uns nach einem beherzten „Los, jetzt!“ in die Fluten. Wolfgang und ich paddeln, Gunther und Eshana halten nach ANUK Ausschau. Wir paddeln wie die Blöden, ANUK bleibt aber unsichtbar. Was, wenn wir zu weit aufs Meer paddeln? Keine schöne Vorstellung. Hinterher erfahren wir, dass Uli und Astrid uns irgendwann auf dem Radar gesehen haben und notfalls hätten lotsen können. Nach einigem Gepaddel, das sich anfühlte wie eine Ewigkeit, erscheint die ANUK wie ein Geisterschiff aus dem Nebel – und verschwindet wieder. Aber zur guten Letzt erreichen die vier Janmayonauten völlig durchnässt, aber erleichtert wieder das Mutterschiff. Commander Uli und Co-Pilot Astrid können sich nach all dem Bangen wieder entspannt zurücklehnen (wobei, den vielen Möwenfotos nach zu urteilen, die wir hinterher zu sehen bekamen, kann ihnen nicht allzu bange zumute gewesen sein).

Denn der Wind wird nun zunehmen und nach einer weiteren kurzen Verschnaufpause in den kommenden Tagen stark bis stürmisch werden. Da es unter diesen Bedingungen auf Jan Mayen keinen Hafen und weder auf Jan Mayen noch in Ostgrönland eine geschützte Bucht für uns gibt, bleibt uns nur, in den Süden abzuhauen und Kurs auf Island zu nehmen. Schweren Herzens lichten wir den Anker und lassen Jan Mayen hinter uns. Die Idee der Beerenbergbesteigung, die vor über einem Jahr geboren wurde, ist damit gestorben.

Text: Magda

Abstecher nach Island

Letzte Nacht um 1 Uhr Bordzeit (hier erst 11:00) sind wir in Husavik auf Island eingelaufen. Das war so nicht geplant.

Hier die Kurzform (ausführlicher Beitrag folgt):
Samstag, 8. Juli, Wetter wechselhaft. Teils blauer Himmel und Flaute, später auffrischend mit schnell ziehenden Wolken, abends statt leichter Briese dann doch 5 – 6 Bft. und zackige Böen. Runtergerefft kreuzen wir Richtung Kvalrossbukta. Dort dann die Ernüchterung. Aus einer ruhigen Nacht vor Anker wird nichts. Fallböen peitschen das Wasser auf, am Ufer kräftige Brandung. Wir drehen ab und bleiben erstmal draußen.

Die Wetterprognosen die wir über Navtex und als grib-files über Iridium abrufen sind niederschmetternd. 25 – 30 kn Wind (6 – 7 Bft.) aus Nord, dann kurze Pause und wieder Starkwind aus Nord. Wir beschließen, gleich morgen weiterzufahren. Die Berg-Crew absetzen ist das eine, sie wieder abzuholen das andere. Und das scheint für die nächsten 6 Tage aussichtslos zu sein. Die Schiff-Crew müsste dafür hier tagelang auf und ab fahren, da es hier keine wirklich sicheren Ankerplätze gibt. Ob eine Besteigung des Beerenbergs möglich ist, ist sehr unsicher. Die Phasen mit wenig Wind sind zu kurz.

Sonntag früh sollte es kurz ruhiger werden, bevor der Wind über West auf Nord dreht. Das Zeitfenster haben wir für eine kurze Ankerpause mit Landgang genutzt. Dazu mehr im nächsten Beitrag.

Frustriert machen wir uns auf Richtung Süden. Der Beerenberg zeigt sich nochmal kurz in voller Pracht. Die Überfahrt verläuft gut. Wir haben genügend Abstand zum Starkwindfeld, segeln erst am Wind, später vor dem Wind mit 6 – 8 kn Fahrt. Vor Island flaut es ab, die letzten Meilen motoren wir. Husavik im Norden Islands erreichen wir gegen 23 Uhr lokaler Zeit. Jetzt heißt es erstmal abwettern und abwarten.

Nehaj, Waltag, Manta und Land in Sicht

In den letzten Tagen ist doch noch einiges passiert. Mittwoch gleich nach dem Abendessen wird ANUK über Funk gerufen. Die Überraschung ist groß, Susanne auf Nehaj sind auch hier unterwegs. Von Svalbard kommend kreuzen sie unseren Kurs mit rd. 2 sm Abstand. Leider hängen wir im Nebel und können uns nicht sehen. Es ist schön sich wieder zu sprechen, ein richtiges Wiedersehen ist es ja leider nicht. Ansonsten ist hier draußen niemand. Schiffe haben wir nur über AIS längs Norwegens Küste achteraus kreuzen sehen und das ist schon länger her.

Am nächsten Tag sehen wir die ersten Minkwale. Endlich! Und am Freitag ist Waltag. Immer wieder schwimmen sie vorbei, kommen teilweise heran und zeigen sich mal Backbord, mal Steuerbord ganz nah. Es ist windstill, das Wasser ist so flach, dass wir weit weg am Horizont immer wieder Rücken auftauchen oder Blas sehen. Sehr sehr schön!

Solange es geht segeln wir. Dann kommt doch der Nanni zum Einsatz. Vor Abfahrt hatte Uli noch die bisher fehlende zweite Heizung angeschlossen und so können wir jetzt unsere neu installierte Wärmetauscher Heizung testen. An den Kühlkreislauf angeschlossen bläst sie warme Luft in den Salon und heizt diesen schnell auf 20 °C hoch. Zuvor waren es 13-15 °C, so dass es allen etwas warm ist.

Wir nutzen das ruhige Wetter und bauen den Manta Trawl zusammen. Idee, Anleitung und Planktonnetz kommen von Lauren und Caroline (https://www.weniger-ist-meer.com). Am Nachmittag kommt der Manta, wir nennen ihn ganz klassisch „Manni“, ins Wasser. Über die Großbaumnock lässt sich das Gerät kontrolliert zu Wasser lassen und bergen. Mit dem Manta Trawl wollen wir Mikroplastik fischen. Wir sind gespannt, ob bzw. wie viel wir hier oben im Nordmeer und in den Fjorden Grönlands finden. Der erste Fang ist ernüchternd. Alles voll roter Algen und auf den ersten Blick kein Plastik (das ist gut!).

Später kommt langsam etwas Wind auf und wir können wieder Segeln. Während unserer Morgenwache kommt dann endlich Land in Sicht. Grau schimmert es durch Wolken und Dunst. Jan Mayen voraus! Nach und nach wird die Sicht besser. Die Sonne kommt raus und wir können zwischen den Wolken etwas von Gletscherberg sehen. Wenn alles gut geht werden wir hier ein paar Tage bleiben und die Insel erkunden.