Nehaj, Waltag, Manta und Land in Sicht

In den letzten Tagen ist doch noch einiges passiert. Mittwoch gleich nach dem Abendessen wird ANUK über Funk gerufen. Die Überraschung ist groß, Susanne auf Nehaj sind auch hier unterwegs. Von Svalbard kommend kreuzen sie unseren Kurs mit rd. 2 sm Abstand. Leider hängen wir im Nebel und können uns nicht sehen. Es ist schön sich wieder zu sprechen, ein richtiges Wiedersehen ist es ja leider nicht. Ansonsten ist hier draußen niemand. Schiffe haben wir nur über AIS längs Norwegens Küste achteraus kreuzen sehen und das ist schon länger her.

Am nächsten Tag sehen wir die ersten Minkwale. Endlich! Und am Freitag ist Waltag. Immer wieder schwimmen sie vorbei, kommen teilweise heran und zeigen sich mal Backbord, mal Steuerbord ganz nah. Es ist windstill, das Wasser ist so flach, dass wir weit weg am Horizont immer wieder Rücken auftauchen oder Blas sehen. Sehr sehr schön!

Solange es geht segeln wir. Dann kommt doch der Nanni zum Einsatz. Vor Abfahrt hatte Uli noch die bisher fehlende zweite Heizung angeschlossen und so können wir jetzt unsere neu installierte Wärmetauscher Heizung testen. An den Kühlkreislauf angeschlossen bläst sie warme Luft in den Salon und heizt diesen schnell auf 20 °C hoch. Zuvor waren es 13-15 °C, so dass es allen etwas warm ist.

Wir nutzen das ruhige Wetter und bauen den Manta Trawl zusammen. Idee, Anleitung und Planktonnetz kommen von Lauren und Caroline (https://www.weniger-ist-meer.com). Am Nachmittag kommt der Manta, wir nennen ihn ganz klassisch „Manni“, ins Wasser. Über die Großbaumnock lässt sich das Gerät kontrolliert zu Wasser lassen und bergen. Mit dem Manta Trawl wollen wir Mikroplastik fischen. Wir sind gespannt, ob bzw. wie viel wir hier oben im Nordmeer und in den Fjorden Grönlands finden. Der erste Fang ist ernüchternd. Alles voll roter Algen und auf den ersten Blick kein Plastik (das ist gut!).

Später kommt langsam etwas Wind auf und wir können wieder Segeln. Während unserer Morgenwache kommt dann endlich Land in Sicht. Grau schimmert es durch Wolken und Dunst. Jan Mayen voraus! Nach und nach wird die Sicht besser. Die Sonne kommt raus und wir können zwischen den Wolken etwas von Gletscherberg sehen. Wenn alles gut geht werden wir hier ein paar Tage bleiben und die Insel erkunden.

Norwegische See

Montag Sonne und super Segelwind, Dienstag super Segelwind und dichte Wolkendecke, Mittwoch (heute) dümpeln wir bei schwachen Wind und Nebel vor uns hin. Die Bordroutine hat sich eingestellt, an den Wachrhythmus haben wir uns gewöhnt. Bei 6 Personen ist das entspannt – 4 Stunden Wache, 8 Stunden Freiwache. Genügend Zeit zu schlafen, zum Essen kochen, lesen, quatschen. Die Navigation ist einfach, es geht quasi immer geradeaus.
Jan Mayen wir kommen.

Bei Sonne ins Nordmeer

Tromsø war super, wie immer. Das Bergtraining ist etwas kurz gekommen. Gunther war zweimal, Magda und Astrid nur einmal auf dem Hausberg „Storsteinen“. Der Rest der Zeit ging für Arbeiten am Schiff (das hört nie auf), verproviantieren (das dauert), Haare schneiden (war dringend nötig), etwas Sightseeing, Krabbensandwich usw. drauf. 

Am letzten Abend haben uns auf dem Saunafloß eingebucht. Die Sauna lag direkt neben unserem Liegeplatz. Mit Panoramafenster zu Hafen und Sund, mit Blick auf Eismeerkathedrale und schneebedeckte Berge. Ein Traum! Absurd wurde es, als ein vollbesetztes Rib (schnelles Schlauchboot) vorbei kam. Die Touris in bunten Kälteschutzanzügen vermummt mit Kamera, wir fast nackt hinter der Scheibe. 

Bei fast Flaute und Sonnenschein hieß es kurz vor 11 „Leinen los“. Kurzer Zwischenstop zum Diesel tanken, dann ging es zuerst noch unter Motor vorbei an Inseln und Bergen Richtung offene See. Inzwischen liegt Norwegen achteraus und wir segeln bei halben Wind der Sonne entgegen. 7 kn Fahrt, das kann gerne so bleiben.

Text: Magda und Astrid 

Auf nach Tromsø

Heute morgen (29.06.) um 06.00 Uhr ging’s endlich los. Wir haben den Steg in dem idyllischen Örtchen Stonglandseidet auf der Insel Senja nach 1,5 Tagen verlassen und sind am Segeln. Wobei Segeln es nicht ganz genau trifft, wir motoren, weil Wind und Strömung uns heute nicht besonders zugeneigt sind. Macht aber nix. Immerhin sind wir im Zeitplan, die Ersatzkühlwasserpumpe ist angekommen und wurde erfolgreich eingebaut (ein Hoch auf Uli) und die neue Crew, bestehend aus Eshana, Wolfgang, Astrid, Gunther und mir, Magda, hat trotz widriger Umstände eine Punktlandung auf der ANUK hingelegt. Besonders für die Berliner*innen (Astrid, Gunther und Magda) waren die Umstände der Anreise in der Tat widrig. Insgesamt gut 130 kg Gepäck wollten per Nachtzug, Bus und Fähre nach Nord-Norwegen gebracht werden, aber nun nicht nach Tromsø sondern auf die Insel Senja. Astrid verdiente sich dabei mit ihrem „kleinen schwarzen Handtäschchen“, das sie dabei hatte, übrigens die goldene Ameisentrophäe für das krasseste Körper-zu-Gepäck-Gewichtsverhältnis. Neben dem üblichen Segelequipment, schleppte und zog Astrid also dies und das, was noch auf dem Boot fehlte, wie Paddel oder Isolierboden fürs Packraft sowie, wie wir alle auch, all das Bergsteiggedöns, das wir für die Besteigung des Beerenbergs auf Jan Mayen benötigten, darunter Schneeschuhe, Steigeisen, zwei Zelte, ein Seil usw. gen Norden.

Umstieg in Stockholm

Anbei übrigens schonmal die Antworten auf die brenzligsten Fragen: 1.) Bergsteiggedöns? Ja, genau, das ist die Etappe mit den drei Bekloppten, die in weglosem Gelände 52 km zurücklegen wollen, um einen 2277 m hohen Berg auf einer meist von Nebel verhangenen Insel zu besteigen. 2.) 130 kg Gepäck? Ja, Uli hat uns mit all dem Geraffel aufs Boot gelassen. Und 3.) Doch, alles hat auf ANUK ein Plätzchen gefunden. Wie das? Na, weil ANUK’s Schapps bei genauerer Inspektion ungeahnte Tiefen offenbaren. Für den Proviant ist halt kein Platz mehr. Aber den kann man sich in Norwegen ja eh nicht leisten…

Da passt noch was rein…

Doch nicht nur der Umfang des mitgeführten Gepäcks machte die Anreise aus Berlin beschwerlich. Nein, die schwedische Bahn wollte der deutschen Konkurrenz machen und damit logistisch noch ein wenig mehr Spannung in die Sache bringen. Hatte der Nachtzug nach Stockholm schon eine satte Verspätung, legte die Bahn auf der Strecke nach Narvik nochmal nach, so dass wir erst mit 2,5 h Verspätung in Narvik ankamen. Da ANUK ja auf Senja lag, wurde schnell klar, dass wir die einzig mögliche Busverbindung, die uns mit mehreren Umstiegen bis zur ANUK gebracht hätte, wie sollte es anders sein – verpassen werden. Nach dem Durchspielen zahlreicher Weiterreise-Optionen, haben wir uns schließlich für die Variante des sündhaft teuren Taxitransports ab Finnsnes zur ANUK entschieden. Dort angekommen, wurden wir nach knapp 49 h Anreise, von Wolfgang, der bereits auf dem vorherigen Törn mit an Bord war, mit Kaffee und Tee in Empfang genommen.

Eshana dagegen hatte Glück: ihr Propellerflieger ließ den geplanten Zwischenstopp in Bodo wegen dichten Nebels einfach aus und so landete sie kurz vor Mitternacht früher als geplant in Tromsø. Am nächsten Morgen erreichte sie dann zusammen mit Uli per Fähre und Taxi die ANUK.

Nun sind wir also endlich unterwegs und schippern seit Stunden gemütlich durch die verschiedenen atemberaubenden Sunde, an schroffen Gipfeln, satt grünen Wiesen und weißen Karibikstränden vorbei. Kaum vorstellbar, dass wir bald die T-Shirts mit dicker Thermokleidung tauschen werden. Aktuell sind es 23 Grad bei blauestem Himmel. Was will man mehr?

Erste Trainingseinheit auf den Hausberg hinterm Liegeplatz auf Senja. Leider in Begleitung Tausender Moskitos und Fliegen.

Schaut auch gerne auf dem Instagram-Kanal zu dieser Etappe rein:

https://instagram.com/arctic.horizons?igshid=OGQ5ZDc2ODk2ZA==

Text: Magda

Kalte Komposition

Berlin, 30 °C und Sonne pur. Während Uli und Crew sich über jede Sonnenstunde freuen, haben wir hier davon genug. Es hat ewig nicht geregnet. Ich bin spät dran und trete ordentlich in die Pedalen um pünktlich anzukommen. Mein Ziel: „Kalte Komposition“. Jens hat zur Vernissage geladen. Im Kulturhaus Karlshorst erwarten mich Fotos in Weiß, Grau, Blau. Wunderschöne Aufnahmen aus Arktis und Antarktis. Diese ewig eisig und doch vergängliche Welt, teils reduziert auf Kleinigkeiten. Und teils im Großformat in voller Schönheit und gewaltig.

Für mich ist es schön für eine Weile das Eis auf mich wirken zu lassen. Der Alltag und die Hitze sind vergessen. Jens hält eine kurze Rede und erklärt seine Arbeit, ein Cello spielt melancholisch, Zeit die Gedanken wandern zu lassen. Dann gibt es kühlen Sekt und nette Gespräche.

Wer in Berlin ist kann sich die Ausstellung noch bis zum 19. August 2023, Mo – Sa von 10 – 18 Uhr ansehen. Allen anderen können auf der Webseite und im Shop stöbern <www.jensrosbach.de>.

Start

Mittwoch 26.04.2023
Der Kühlschrank ist leer, das Eisfach abgetaut und die Blumen noch einmal gegossen. Ansonsten fühlt sich der Aufbruch nicht besonders an. Zeit zum Nachdenken hatte ich eh keine. 
Was mir etwas Sorgen macht, ist der voll beladene VW-Bus. Wie soll das alles noch verstaut werden.
Erster Stopp Hildesheim beim Segelmacher. Firma Lishke hat uns noch kurzfristig ein neues Großsegel angefertigt. Es liegt ausgebreitet aus als wir kommen. Ich bin begeistert, in eine Halle sieht es wirklich beeindruckend aus. Und endlich haben wir wieder eine orangfarbene Spitze. Das dritte Reff ist so dimensioniert, dass es das Trysegel ersetzt. 

Es geht weiter nach Hamburg zu Toplicht, Seenotsignalmittel abholen. Danach bekommen wir bei Reinhard und Martina leckere Lasagne zum verspäteten Mittagessen serviert und laden unsere von Caspar reparierte Sitzbank ein.
Donnerstag früh kommen Astrid, Carola und Magda. Alle wirbeln herum, packen, sortieren, stauen Lebensmittel und Material. Halbwegs fertig sind wir statt Freitag Mittag dann Abends pünktlich zum Grillen um 20:00 Uhr. Das Abholen der Crew vom Bahnhof klappt auch nur verspätet.
Den Abend verbringen wir mit ein paar Freunden und meiner Tante und Onkel im Vereinsheim, mit leckerem Essen und guten Gesprächen.
Wir haben großes Glück mit dem Wetter, mild und sonnig. Kaum vorzustellen, wie nervig Regen gewesen wäre.
Rasmus meint es weiter gut mit uns. Wir starten spät wie geplant Samstag gegen 12.00 Uhr, der Wind dreht von Nord auf West.
Moni 6 und Lina begleiten uns. Wir verbringen zusammen eine ungemütliche Nacht im Päckchen ankernd an der Ostseite Langelands. Der Schwell der Großschifffahrt nervt gewaltig.
Ab Sonntag früh sind wir dann alleine unterwegs. Es ist schon ein bisschen traurig Lina und Moni 6 davon segeln zu sehen. Die letzten Sommer sind wir zusammen unterwegs gewesen. Segeln im Familiengeschwader hat uns allen gut gefallen. 
Das Wetter ist unglaublich sonnig und mild. Wir kommen gut voran, auch wenn wir viel motoren müssen.
In der nächsten Nacht genießen wir die Stille der Ankerbucht Musholmen, es folgen Stopps in den leeren Häfen von Anholt und Vesterö/Laesö. Von dort der große Schlag direkt nach Kristiansand. Wieder ist es eher zu ruhig, der Diesel kommt zum Einsatz. Kurz vor dem Ziel dann reichlich Wind. Auch heute (Freitag) bläst es mit 6 Bft, in Böen deutlich mehr. Unser Liegeplatz an der Gästebrücke Kristiansand ist bei Ostwind sehr ungemütlich. Zum Glück können wir die Mooringleinen nutzen uns von der Pier weg zu ziehen. Das, was uns am Anfang an Wind fehlte, ist für die nächsten Tage als zu viel angesagt. 
Immerhin waren wir pünktlich hier und Margret konnte heute morgen nach rauer Überfahrt mit der Fähre von Cuxhaven auf die ANUK umsteigen. Und alle haben die Ruhe der ersten Tage genossen.
Für mich fällt Landgang auch heute wieder aus. Bei den Bedingungen komme ich mit meinem Bein und Krücken nicht an Land. Was mich aber auch nicht ernsthaft stört, wie sich alle denken können, die mich kennen. Ansonsten klappt es erstaunlich gut sich hüpfend und krabbelnd an Bord zu bewegen. Mike als Schiffsführer kommt mit Crew auch gut ohne meine Kommentare klar. Es ist nicht so einfach bei Manövern daneben zu sitzen und alle anderen sind aktiv. Mein Fuß heilt nach der OP hervorragend. Auch ohne Schmerzmittel komme ich gut klar. 

Ein großes Danke an Astrid, Jan-Peter und alle anderen, die geholfen haben, dass ANUK noch rechtzeitig startklar war. Ohne die viele Hilfe hätte das nicht mehr geklappt. Samstag 06.05.2023 Für die letzte Nacht hatte der Wetterbericht etwas ruhigere Bedingungen vorhergesagt. Wir sind in Kristiansand geblieben und wollten heute früh los. Nachts um 03:00 Uhr legt der Wind und vor allen Dingen der Schwell ordentlich zu. Um 04:00 entscheiden Mike und ich mit dem ersten Tageslicht zu starten. Das Ablegemanöver wird gründlich vorbereitet und klappt trotz der schwierigen Bedingungen einwandfrei. Es ist gut, dass ANUK seit zwei Jahren den stärkeren Motor hat. Wir kommen trotz starken auflandigen Winds gut frei von der Pier. Wir rauschen mit stark gereffter Genua zum Sonnenaufgang durch die Schären. Und liegen jetzt in Høllen am Gemeindesteg. Es ist ruhig hier. Wir frühstücken gemütlich und alle fallen nach der mehr oder weniger schlaflosen Nacht noch einmal in die Koje. In Erinnerung bleiben wird mir, wie kurz vor dem Ablegen die Wellenbewegung einmal den gut 60 m langen und stabilen Schwimmsteg entlangläuft. Im Nachhinein betrachtet bewertet man Entscheidungen anders: Risiko des schwierigen Ablegemanövers gegenüber der Belastung von Schiff und Crew. Heute früh wurde die Windvorhersage für heute noch einmal nach oben korrigiert. Gut, dass wir jetzt hier in Høllen sind.