Gute Seemannschaft und Sorgfalt sind wichtig auf See. Wie es so schön heißt: Die See verzeiht nichts.
Zur festen Bordroutine gehört der regelmäßige Check aller Systeme und natürlich Reparaturen so gut und schnell wie möglich. Jeder Segler kennt das. Mit Mike habe ich neulich darüber gesprochen. Er hat mich auf die „Black Box Theory“ hingewiesen. Eine sehr treffende Beschreibung.
Während der Überfahrt musste ich oft daran denken.
Vor der Abfahrt in Mindelo ist ein Mastcheck obligatorisch. Einmal hoch klettern und alle Beschläge, Wanten, Stage usw. prüfen. Alles ok.
Was ich nicht überprüft habe: Fock ausrollen und Furler prüfen. Beim ersten Nutzen der Fock stelle ich auf See fest, dass die Schiene sich an einer Verbindungsstelle gelöst hat. Die Fock ist leicht beschädigt, was beim letzten Einrollen passiert sein muss (Fahrt von Brava nach São Nicolau). Also nutzen wir die Fock nach dem nächsten Wegrollen nicht mehr.
Jeden Tag inspiziert die Captain u.a. einmal Rigg und Vorschiff. Meistens findet man nur tote fliegende Fische. Einmal aber auch eine Sicherung für einen Bolzen der Rollreffanlage der Fock. Die Sicherung ist schnell wieder montiert und wird zusätzlich gesichert.
In der letzten Nacht verklemmt sich beim Ausreffen das Großfall zwischen den Umlenkrollen am Masttop. Wir nutzen wie der Voreigner auch einen Drahtvorlauf, da dass Großfall ansonsten schnell durchscheuert. Dieser Vorlauf hat schon neben der Umlenkrolle verkeilt. Das fast durchgesetzte Großsegel lässt sich nicht bergen. Zum Glück sind wir 12 h später am Ziel, können dort geschützt ankern und das Fall oben abschlagen und das Groß bergen.
Till und ich haben die letzten drei Tage viel Zeit im Mast verbracht. Das Großfall ist wieder frei, die Schiene der Fock-Rollreffanlage wieder fixiert.
Die Fock liegt zur Reparatur beim Segelmacher.
Leider ist damit nicht alles erledigt. Mir sind beim Arbeiten im Mast zwei Terminals aufgefallen, bei denen sich die Verbindung löst. Ärgerlich, wir haben alle Wanten und Stage Winter 2021/22 erneuern lassen.
Der Segelmacher hier kann Ersatz beschaffen bzw. in Florida anfertigen lassen. Wenn alles klappt, werden Want und Kutterstag nächste Woche geliefert.
Heute Mittag durfte ich das mittlere Want backbord und das Kutterstag mit Furler zum Ausmessen demontieren. Bei 25 bis 30 kn Wind nicht die angenehmsten Arbeitsbedingungen, wenn auch zum Glück ohne Regen.
Wir haben also viel Glück gehabt insgesamt. Oder vielleicht nach Black-Box Theory genug Punkte gesammelt in der Black-Box.
Wir reparieren alles sorgfältig und pflegen unsere ANUK weiter, damit wir weiter sicher ans Ziel kommen.
Nach etwa vier Tagen setzte bei uns allen das Gefühl ein, dass uns für diese Überfahrt an Bord brachte – Ruhe, eingegrenzte Verpflichtungen, kein Netz und eine Landschaft, die immer wieder seine Strukturen verändert. Mal eine glatte See, mal höhere Wellen – Tills Hoffnung auf Ü4 erfüllten sich nur bedingt – und Sonne, machten die Überfahrt zu einem unproblematischen Unterfangen. Erstaunlich wenige Meeressäuger und flaute an der Angel trübten die ansonsten blendende Laune an Bord.
Samstag 09.03 gegen 10 Uhr sieht Corinna am Horizont die ersten grünen Punkte der kleinen Inselgruppe, die Uli noch auf ihrer Liste der nord-atlantischen Inseln fehlt. 409 Stunden bzw. 2395 Seemeilen später haben wir wieder Land unter unseren Füßen. Helgas Angst vor zu kalten Temperaturen können zunächst nicht bestätigt werden und auch die allgemeinen Befürchtungen hinsichtlich einer verbauten und eher unschönen Insel bestätigen nur, dass man sich vielleicht doch lieber selbst ein Bild einer Sache machen sollte, bevor man zu urteilen vermag. Uns allen gefällt es hier in dieser Mischung aus englischer Architektur, amerikanischer Kultur und karibischen Einflüssen sehr gut.
Nach einer generell ruhigen Überfahrt haben wir dennoch kleinere Arbeiten am Schiff vorzunehmen. Uli und Till steigen jeweils in das Klettergeschirr und beginnen mit der Bearbeitung der Probleme an Fock und Groß-Fall. Diese können relativ schnell vor dem nun bald einsetzenden Starkwind gelöst werden – zumindest jene, die wir selber bearbeiten können (exkl. Segelreparatur). Jetzt wird abgewettert und das weltweite Netz bearbeitet. Vermeintlich die einzige Sache, die wir alle vermisst haben.
Heute Mittag um 14:00 Uhr Ortszeit sind wir nach Ausklarieren, Wasser und Diesel Bunkern endlich gestartet.
Jetzt rauscht wir mit 7-8 kn Speed über den Canal de São Vicente Richtung Westen. Hoffentlich sehen wir noch etwas von Santo Antão. Leider ist es wegen dem vielen Sahara Sand immer noch sehr schlechte Sicht.
Till, Corinna, Helga und die Captain freuen sich auf eine schöne Zeit auf hoher See.
Ulis Eindrücken sind nur die schönen Wanderungen und die Proteste gegen die Verschmutzung des Meeres hinzuzufügen.
Mülltonnen sind auf vielen Inseln weit verbreitet. Auf anderen sucht man sie vergebens.
Noch nicht durchgesetzt hat sich hier noch nicht der Verzicht auf Plastiktüten beim Einkauf. Dafür ist das Obst und Gemüse überall unverpackt (bis es in einer Tüte landet).
Die 30 Tage meiner visumsfreien Zeit sind unglaublich schnell vergangen. Jetzt liegen wir seit einer Woche in der Marina Mindelo (Auch diese letzte Woche war schnell um.)
Wir haben die Zeit auf den Kap Verden genutzt viele der Inseln zu besuchen. Einige sind bequeme Tagesetappen voneinander entfernt, bei anderen heißt es früh im Dunkeln los, um noch bei Tageslicht die nächste Ankerbucht zu erreichen. Eine Nachtfahrt in den Norden zurück musste auch sein.
Der Atlantikschwell ist für einige Crewmitglieder gewöhnungsbedürftig. Er schafft es leider auch auf die Lee-Seiten der Inseln, was für Schwell in den Ankerbuchten sorgt (Azoren und Kanaren waren allerdings schlimmer.). Das Anlanden mit dem Dinghi ist immer wieder spannend und nass. Alle freuen sich über die rund 23° C Wassertemperatur.
Was mich stört, sind die Temperaturen, es ist einfach zu warm. Gerne bleibe ich mittags an Bord, hier weht meistens ein kühlender Wind und man kann baden.
Das An- und Abmelden auf jeder Insel (Schiffspapiere werden von der Polizia Maritime bis zur Weiterfahrt behalten.) kennen wir schon von den Azoren, Portugal und Spanien.
Auf Maio müssen wir 650 CVE (6,50 €) Gebühren bezahlen, wie wir überrascht feststellen.
Mit sieben Personen an Bord und einem Dinghi mit max. vier Plätzen ist die Landgangs- und Freizeitplanung eine kleine Herausforderung. Flexibilität und Kompromissbereitschaft ist gefordert. Die ein oder andere Entscheidungsfindung dauert entsprechend „no stress“. Trotz dieser Widrigkeiten schaffen wir es uns alle angelaufenen Inseln anzusehen. Irgendwann haben auch alle verstanden, dass die Captain auch gerne von Bord aus die Inseln genießt.
In Mindelo landen wir eher als geplant, welch ein Glück finde ich und auch andere. Wir sind pünktlich zum großen Karnevalsumzug hier (siehe Blogbeitrag dazu, selbst ich bin gegeistert).
Jetzt sitze ich an Bord und denke zum einen, dass ich auch gut noch ein paar Tage bleiben könnte. Das Wetter auf den Bermudas sieht noch nicht so reizvoll aus. Anderseits freue ich mich auf die Ruhe auf See und die Überfahrt.
Meine Highlights als Bilder:
Die Landschaft, die Inseln sind extrem abwechslungsreich.
Die sehr entspannten, schönen und hilfsbereiten Menschen.
Der Kontrast in den Straßen: neue, bunte und halbfertige Häuser neben Ruinen.
Die beeindruckenden Wandmalereien.
Die leckeren Papayas und Bananen, die wir uns täglich gönnen.
Für mich begann diese Reise vor zig Jahren auf meiner Toilette daheim. Hier lagen immer verschiedene Zeitschriften rum, wie ADAC-Heft, Laufzeitung, so auch die Brigitte. Und außer dem Mode-Teil, der mich weniger interessiert, habe ich dort immer irgendetwas Interessantes zu Kultur, Politik, Sport und auch Reisen gefunden. Einmal gab es einen Bericht über die Kapverden – unterschiedliche Inseln, freundliche Bewohner, Musik und viel Natur mit Sonne und Wind. Und seit dieser Zeit stehen die Kapverden auf meiner Agenda, aber waren doch verschollen. Bis mich der Segel – Rundbrief von Uli mit ihrer großen Atlantikumrundung erreichte und was las ich da: Die Reise führte über die Kapverden! Ich war sofort Feuer und Flamme. Und nach einiger Zeit begann diese Kapverden-Reise tatsächlich.
Die Kapverden liegen ca. 800 sm vor dem Senegal. Drei Inseln mehr im Osten, drei südlich und drei nord-westlich. Uli wollte – laut Plan – von den Kanaren kommend zuerst Palmeira/Sal mit der Hauptstadt Espargos, die nord-östlichste aller Inseln ansteuern und von Mindelo/Sao Vicente im Nord-Westen Richtung Bermudas weiter.
Quelle: www.maps.google.de
Die Kapverden-Crew besteht aus Uli und Helga, die schon auf den Azoren zugestiegen war, Pami und Rolf aus Braunschweig, Michaela und Jörg aus Leipzig und mir. Alle waren schon früher mal mit Uli unterwegs gewesen, aber außer Rolf hatte vom Segeln keiner so wirklich Ahnung. Das ist bei diesen Windverhältnissen aber nur ein kleines Manko – aus meiner Sicht! Beim Segeln von Insel zu Insel müssen wir bei diesem NE-Wind nur anfangs die Genua ausrollen und dann läuft die ANUK mehr oder weniger von allein, die eine Nachtfahrt von Brava nach São Nicolau ausgenommen. So kommen wir über Sal, Boavista, Maio nach Tarrafal auf Santiago, das ist eine der drei südlichen Inseln.
Dort ankern wir in gebührendem Abstand vom Sandstrand, der Schwell dort ist beherrschbar. Santiago ist eine der größeren Inseln und die Hauptstadt der Kapverden, Praia ist auf Santiago die größte Stadt und, da die sehr trubelig und touristisch sein soll, hatten wir uns für Tarrafal entschieden.
Einige Tage zuvor hatte ich ein Mail von meiner Schwester erhalten mit Grüßen von den Kapverden und dass sie in Tarrafal/Santiago sei. Angekommen, schwimme ich zum Strand und jogge zu der Stelle, wo Uli das Dinghi festmacht, und treffe meine Schwester. Die hat hier mit Mann und einer ihrer Töchter, Schwiegersohn und Enkelin eine Wohnung gemietet und hatte schon beim Einlaufen mit dem Handtuch gewunken, wir hatten sie aber nicht gesehen. Es ist schon ein sehr vertrautes, aber auch komisches Gefühl, am anderen Ende der Welt unerwartet seine Schwester zu treffen.
Ihrer Empfehlung, Assomada im Landesinneren zu besuchen folgen Jörg, Michaela und ich am nächsten Tag und stellen uns an die Ausfallstraße, wo auch nach ganz kurzer Zeit ein Collektivo (Sammeltaxi) hält und uns mitnimmt. Danach tuckeln wir noch eine Viertelstunde kreuz und quer durch die Stadt nach weiteren Fahrgästen suchend, bis es dann richtig losgeht. Eine beeindruckende Landschaft mit Bergen,
gut ausgebauten Straßen, vielen Kurven und kleinen Dörfern zieht an uns vorbei. Immer wieder steigen Leute ein und aus, Jörg hat in dem Auto mit 12 Sitzen bis zu 23 Personen gezählt, die dieses Collectivo gleichzeitig nutzen. Gezahlt haben wir drei Euro pro Person für die einfache Fahrt von ca. einer guten Stunde. Die unterschiedliche Landschaft und die unterschiedlichen MitfahrerInnen im Bus und deren Gepäck (Säcke mit landwirtschaftlichen Produkten, Schultaschen, etc) waren hochinteressant.
Assamada ist ein kleines Städtchen mit einer großen Markthalle im Zentrum, die wir als erstes ansteuern. Eine bunte Palette unterschiedlicher Früchte, Gemüse, Salate, alle möglichen Bohnen etc., aber auch Hühner und Fisch werden dort angeboten. Wir genießen das exotische Treiben und saugen diese Bilder in uns auf.
Zum Schluss sinken wir in einer Ecke auf die Stühle zu einem sehr schmackhaften Hühnchen mit Reis und Gemüse-Gericht zu dritt.
Anschließend lassen wir uns durch die Stadt treiben mit ganz unterschiedlichen Häusern, einfachste Häuser teilweise verlassen und verfallen und daneben wieder wunderschön herausgeputzte, farbige Fassaden. Am witzigsten fand ich die circa 500 m lange Fußgängerzone, fast europäisch anmutend, aber dann doch wieder auch mit mehr kapverdisch improvisierten Elementen.
Die Heimfahrt nach Tarrafal treten wir in einem Collektivo an. Der Pritschenwagen
ist auch dieses Mal mit sehr vielen Menschen gefüllt und fast wäre noch ein Esel zugestiegen. Jörg und Michaela schnappen sich sich die zwei Sitze neben dem Fahrer. Für mich auf der Ladefläche ist das größte Problem, meinen Kopf bei der Fahrt vom Gestänge für eine Plane fernzuhalten, was auch einigermaßen gelingt. Es klappt alles perfekt und wir treffen meine Schwester und Familie abends zum sehr leckeren Essen auf der Dachterrasse eines Restaurants mit herrlicher Sicht auf Bucht und ANUK.
Am nächsten Tag hängen die meisten ab mit Schwimmen, Strandspaziergang, Flugreise für die Rückfahrt buchen, das Campo da Conzentração zu besuchen s. Blogbeitrag. Besonders schön finde ich in Tarrafal die Bilder auf den Hauswänden, die es aber auf allen Inseln gibt.
Ich jogge um Tarrafal herum, verlaufe mich und habe hinterher anstelle der geplanten 8 dann 14 km in den Beinen. Dieser „Umweg“ ist aber interessant und macht nachdenklich, in den Außenbezirken werden die unterschiedlichen Verhältnisse vor Ort deutlich. Das Durchschnittseinkommen auf den Kapverden beträgt angeblich ca. 500 Euro/Monat, die Preise für Lebensmittel sind ähnlich wie bei uns. Insgesamt fühle ich mich auf den Kapverden sicher, die sozialen Unterschiede unter der Bevölkerung sind zwar wahrnehmbar, aber wirken nicht bedrohlich. Im Gegenteil, die Atmosphäre ist heiter, gelassen und sehr entspannt, „no Stress“ lautet das Motto hier und so empfinde ich das auch.
Am nächsten Morgen geht es noch bei Dunkelheit, wegen der vor uns liegenden Etappe mit über 50 sm nach Fogo, los. Meine Schwester hat noch ein Bild von uns in der Dunkelheit gemacht.
Nachdem die Captain ULI versucht hat den Karneval in Braunschweig zu umgehen, sind wir aufgrund eines Crewwechsels pünktlich zum großen Karnevalsumzug in Mindelo eingetroffen. Damit ist das Abendprogramm klar, pünktlich um 19:00 Uhr startete der 6-stündige Umzug. Die Reise nach Rio haben wir damit gespart, der Reiseführer hat recht. Groß und klein, alt und jung warten Stunden vorher an den Straßen, um sich eine gute Aussicht zu sichern. Die Stimmung ist herrlich entspannt und ausgelassen. An kleinen Ständen werden Snacks und Getränke angeboten, die Polizei sichert den Zug ab. No stress, keine Aggression, die Inseln bleiben ihrem Motto treu.
Wir haben einen Stopp auf Santiago eingelegt. Die Hauptstadt Praia meiden wir, keiner an Bord hat Lust auf „Großstadt“. Abwechslungsreich soll die Insel Santiago sein, deshalb ankern wir vor Tarrafal im Norden.
Südlich des Ortes gibt es ein ehemaliges Konzentrationslager (Campo da Conzentração). Die Original Gebäude sind erhalten und jetzt Museum mit Informationszentrum (Meseu da Resistência). Die Kap Verder nennen es das „Lager des langsamen Todes“.
Unser Reiseführer an Bord nennt es „Beklemmender Blick zurück“.
Und es ist wirklich beklemmend.
Portugal hat hier in einer ersten Phase von 1936 bis 1956 politische Gefangene wie z.B. Aufständige, portugiesische Antifaschisten und Regimegegner darunter Bento Goncalves und Mario Castelhano, Führer der PCP und der CGT (beide starben im Lager), untergebracht. Die Gefangenen mussten das Lager (z.T. Holzhütten) selbst mit bauen, die jetzt zu sehenden Steingebäude wurden später errichtet.
Das Lager wurde 1962 unter dem Namen Arbeitslager Chão Bom wiedereröffnet und dort Antikolonialisten und Antifaschisten aus Angola, Guinea-Bissau und Cabo Verde inhaftiert.
Die Gefangenen der verschiedenen Länder wurden getrennt untergebracht, so dass keinen Kontakt untereinander hatten. Zeitschriften und Briefe wurden zensiert. Mit Foltermaßnahmen wurden Aufstände unterdruckt.
Erst mit der Nelkenrevolution 1974 in Portugal und damit dem Ende des Salazar Regimes wurde das Lager aufgelöst.
Zu den Haftbedingungen, insbesondere in der ersten Phase des Lagers lesen wir folgende Berichte:
Es gab nur wenig, oftmals mit Tierfäkalien verseuchtes und brackiges Trinkwasser. Es musste aus 700 m Entfernung aus einem Brunnen zum Lager transportiert werden.
Eine besonders oft praktizierte Foltermethode war die Frigideira, eine 9 m2 große Zelle ohne Fenster und ohne Dach, in der bis zu 17 Gefangene untergebracht wurden und die der gnadenlosen Sonne ausgesetzt waren. Bis zu 70 Tage am Stück konnte diese Maßnahme verhängt werden. Nach der Ächtung der Praktik wurde die Frigideira durch eine dunkle, winzige Isolationshaft Zelle „Holandinha“ (Little Holland) ersetzt.
Die Ernährung war sehr schlecht. Die Gefangenen berichteten, dass sie sich die Nase mit Brotbrocken verstopften, damit sie den Gestank des Essens beim Essen nicht riechen mussten. Der Ekel war ansonsten zu groß.
Es gab faktisch keine ärztliche Versorgung. Dies war auch nicht vorgesehen. Der Arzt Arzt Esmeraldo Pais da Prata wird mit folgenden Worten zitiert: „Não estou aqui para curar, mas para assinar certiões de óbitos.“ (“Ich bin nicht hier, um zu heilen, sondern um den Tod zu bescheinigen.“)
Es starben 36 Portugiesen und 2 Guineer im Lager.
Das Lager wurde 2006 zum nationalen Kultererbe erklärt und später auch in die UNESCO Liste der Weltkulturerbe aufgenommen.
Was für ein Tag. Wir sind vor dem Sonnenaufgang in Boavista Richtung Maio gestartet. Das Ziel war es den knapp 70 sm Ankerplatz an der Südseite von Maio vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Das Ziel wurde um eine halbe Stunde verfehlt. Eigentlich ein entspannter Segeltag, bis auf geballte Action zu Mittagszeit. Zwischen den Manövern Genua ausbaumen und Baum abbauen entdeckt Uli einen Fisch an der Schleppangel. Es folgt das hier zu sehende Angelballett mit bluefin tuna und Uli.
Kollateralschaden mehrere seekranke Crewmitglieder.
Die Sonne scheint, von Musik und knarzenden Funksprüchen begleitet schaukeln wir auf 2 m hohem Schwell Richtung Süden. Nicht ganz: bei Südwind müssen wir kreuzen. Das ist bei aktuell 10 kn Wind etwas mühsam und lässt den Eindruck entstehen, dass wir uns unserem Ziel kaum nähern. Eine kleine Theorieeinheit zum Kreuzen besänftigt einige Zweifel.
Die erste Nacht auf See liegt hinter uns. Von 4-8 Uhr hatten Kai und ich Wache. Bei bis zu 8 kn Fahrt (woran Uli zweifelt) rauschten wir durch eine Glitzerspur: in unserem Fahrwasser leuchtet und glitzert Discoplankton. Helga musste ihre Queensize Koje im Bug verlassen, weil die Anuk auf jede siebte Welle gedonnert ist. Kaum Schiffsverkehr, am Horizont Wetterleuchten, kein Flugzeug am Himmel, auch der Funkverkehr verstummt. Unglaublich wie schnell die Zeit vergeht, nur durch sitzen, gucken, staunen und gelegentlich Kurs und Segel anpassen. Der Schlaf vorher war unruhig. Gerda und ich schlafen im Setzkasten: Bretter verhindern, dass wir aus der Koje oder übereinander kullern. Als ich kaum noch auf der einen Seite liegen konnte wurde endlich gewendet: also in die andere Ecke der Koje kuscheln.
Einige von uns kämpfen mit Seekrankheit, aber wir haben Glück: unsere Tage auf See beginnen mit sehr moderaten Bedingungen. So können sich unsere Gleichgewichtssysteme an die Schaukelei gewöhnen. Nach 24 h auf See fühle ich mich angenehm runtergedimmt, Uhrzeit spielt nur für den Wachwechsel eine Rolle. Wir wechseln alle vier Stunden, so dass jede*r acht Stunden Freiwache hat. Nur Uli ist auf Abruf, schläft im Salon und ist immer die Erste, die zur Funke hechtet um den DSC Alarm auszumachen.
Freitag, 19.1.24
Die letzte Nacht war etwas ruppiger. Schlafen war nur eingekeilt im Setzkasten möglich, unterbrochen von besonders garstigen Wellen, die unter Deck alles zum Klappern und Fliegen brachten. Gestern Abend frischte der Wind bis zu 30 kn in Böen auf. Dazu Regen, größer hätte der Kontrast zu den Stunden zuvor nicht sein können. Spiegelglatt war das Wasser seit Mittwoch. Auf dem alten Schwell schob uns der Motor Richtung Süden. Mitunter schaukelte sich die Anuk richtig auf. Dann schwankte der leere Mast wie das Pendel eines Hypnotiseurs.
Mittwoch Abend besuchten uns pünktlich zum Sonnenuntergang Delfine. Aus allen Richtungen kamen sie herbei um in der Bugwelle der Anuk zu spielen. Bis zu 15 Delfine begleiteten uns vor der roten Abendsonne. Manchmal ist die Realität kitschiger als jedes Romantikplakat. Wenigstens zum Badestopp konnten wir die anhaltende Flaute nutzen. Fender an Schwimmleine hinten raus und rein ins nasse Vergnügen, unter uns rund 4000 m tiefes Blau, um uns bis zum Horizont nur Wasser und Himmel.
Unser Bewegungsdrang wird immer stärker, also raus aufs Vordeck zur Yogaeinheit. Bei ca. 3 m Welle eine besondere Herausforderung: der Baum und die Kriegerin gehen nur mit Festhalten. Gerda lässt sich zu einem gedehnten oooohm hinreißen. Mit Erfolg: es nähern sich prompt wieder Delfine. Immer mehr fliegende Fische schweben an uns vorbei, mitunter landen sie an Deck. Einer wird gerettet, die anderen im Dunkeln zu spät entdeckt, so bleibt nur noch die andächtige Seebestattung.
Dienstag, 23.01.23
Nach unserem Landfall nach fast 7 Tagen schlafen wir die erste Nacht halbwegs ruhig vor Anker in der Bucht von Palmeira. Beim morgendlichen Schnorcheln schwimmt mir eine Schildkröte davon. In den nächsten Tagen wird allerdings das Wasser durch den sandigen Wind so trüb, dass kaum noch was zu entdecken ist. Wir machen das Dinghi klar und fahren rüber an Land. Was für eine Atmosphäre: Kap Verde empfängt uns mit Musik, lauten Stimmen und dem Geruch von frischem Fisch. Überall steht das Motto der Inseln: „no stress!“, vermutlich vor allem an erlebnishungrige Tourist*innen gerichtet.
Am nächsten Tag lichten wir wieder den Anker und segeln eine Bucht weiter Richtung Süden. Endlich wieder segeln! Bei bis zu 28 kn Wind rauschen wir an der sandigen felsigen Küste entlang. Leider ist bei so starkem ablandigem Wind an Landgang mit dem Dinghi nicht zu denken. Wenigsten trauen wir uns mit extra langen Flossen ins Wasser, auf der Suche nach Schildkröten, leider erfolglos. Die Farben hier wirken als hätte jemand beim Druck einen Farbkanal vergessen: sandiges Gelb in allen Schattierungen, dazu türkis und blau von Himmel und Wasser. Die Crew lümmelt auf und unter Deck, lesend, schlafend, sinnierend – la dolce vita in der Sonne. Abends sind wir zurück in der Ankerbucht vom Palmeira.
Donnerstag, 25.01.23
Gestern beherrschte Betriebsamkeit das Schiff, überall wurde repariert, geölt und geputzt um die Anuk für die nächste Etappe vorzubereiten. Nachmittags hingen wir in der Bar mit kühlem Bier: Atmosphäre tanken, schlafende Hunde und vergnügte Menschen beobachten. Anschließend gönnten wir uns ein opulentes Fischmahl, umschwirrt von einem Rudel Katzen unterm Tisch.
Um uns herum wird die Luft heute immer trüber: eine feine Schicht roter Staub legt sich auf alles. Die Sonne ist nur noch ein milchiger weißer Kreis. Heute heißt es packen, aufräumen, waschen und Abschied nehmen. In kaum einer Situation wird man sich so schnell vertraut wie auf hoher See auf einem Boot, ohne die Möglichkeit an Land zu gehen. Wir sind dankbar für unser Miteinander, die gute Atmosphäre der letzten Tage, und vor allem Skipperin Uli, der wir ausnahmslos vertrauen konnten. Gerda, Helga, Kai, Christian, Uli – mit Euch würde ich jederzeit wieder in See stechen!